Webwecker Bielefeld: ostmann01

Durchs Viertel streifen (20.07.2005)





Zufriedene Gesichter nach der Modenschau: Mehr Fotos in der Bildstrecke am Ende des Artikels


Am Samstag, 16. Juli, fanden rund um den Ostmannturm die 6. Bielefelder Stadtpassagen statt. Die Einladung, ihr Viertel besser und anders kennenzulernen, nahmen viele Bewohner gerne an.


Text und Fotos von Manfred Horn

Im wahren Sinn des Wortes herausragend im Viertel ist der Ostmannturm. Er ist stehengeblieben, die dazugehörige Gewürzfabrik weitergezogen. Anfang des 20. Jahrhunderts hatte der Drogist Karl Ostmann die Idee, Gewürze und getrocknete Kräuter in verbrauchergerecht portionierten und preisgünstigen Beutelpackungen anzubieten. Abgepackt wurde zunächst im Hinterzimmer der eigenen Drogerie.1938 erfolgte der Umzug aus dem Privathaus Ostmanns in das Gebäude einer ehemaligen Getreidemühle in der Märkischen Straße in Bielefeld. Der Mühlenturm mit seinem Kupferdach wird noch heute ›Ostmann-Turm‹ genannt, obwohl Ostmann dort in den 1960er Jahren wieder auszog. Heute riecht es je nach Windrichtung noch im Kamphof nach den Gewürzen, produziert Ostmann doch nach wie vor an der Ernst-Rein-Straße.

Der Geruch von weiter Welt ist dennoch im Viertel um den Ostmannturm geblieben. Zwischen August-Bebel und Herforder Straße auf Höhe des Hauptbahnhofs ist in den letzten 20 Jahren aus einer Industriebrache ein buntes Multi-Kulti-Viertel geworden. Vor allem die Bielefelder Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft (BGW) ist dort aktiv: Sie errichtete rund 500 Wohnungen in Geschossbauweise, »rund 1.000 bis 1.200 Menschen leben hier in BGW-Wohnungen«, berichtet Werner Stede, Mitarbeiter der BGW. Auch das Sozialwerk der Freimaurer ist in dem Viertel vor Ort: Es kaufte bereits 1969 den Osningturm und das darunterliegende Gebäude und ließ es anschließend zu einem Studierendenheim umbauen, 400.000 Euro Eigenmittel des Sozialwerks flossen damals ein. Realisiert wurde der Umbau von der BGW. »Der Wohnraum für Studenten nach Gründung der Universität war knapp. Außerdem wollten wir Anschluss an junge Menschen finden«, erzählt Horst Thermann, Beauftragter des Sozialwerks für soziale Projekte.

Zwischen den BGW-Wohnungen stehen auch Privathäuser, am zentralen Platz unter dem Turm gibt es inzwischen auch eine Eigentumswohnanlage; die Ravensberger Heimstätten ließen bauen und auch das Deutsche Rote Kreuz ist zur Huelsmannstraße hin mit einem Neubau vertreten. Im Herzen des Viertels liegt ein großer Platz mit einer Kneipe, die der findige Wirt Sandro Basile ›Zum Findling‹ nannte. Basile spielte gleich mit bei den Stadtpassagen: Die Opernsängerin Kirsten Höner zu Siederdissen sang ihm ihren Wunsch nach Essen und Trinken vor, Basile antwortete ebenso stimmungsvoll, auch wenn die Tonlage nicht perfekt war.


Bewohner machen mit

Dies ist das Konzept der Stadtpassagen: »Wir bringen die Kultur zu den Menschen, die hier wohnen«, erläutert die Tanzpädagogin Petra Rühl. »Die Erfahrung zeigt: Die Menschen des Viertels machen mit«. Seit Jahren macht die Tanzpädagogin dabei gemeinsame Sache mit Professor Jürgen Heckmanns und dem Musiker Willem Schulz. Rühl und Heckmanns sind an der Universität angestellt. Für die Stadtpassagen erhält Rühl einen Lehrauftrag, entsprechend nehmen viele Studierende teil, die Veranstaltung ist scheinfähig. »Von den 55 Akteuren sind in diesem Jahr rund die Hälfte Studierende der Literatur- und Linguistikfakultät der Universität«, berichtet Rühl.

Die BGW wiederum tritt bereits zum dritten Mal als Sponsor auf. Sie ist so überzeugt von dem Konzept, dass sich der Mitarbeiter Werner Stede – sommergerecht mit Strohhut – hinter einen kleinen Tisch auf den Platz setzt und die Tickets für die Führungen durch das Viertel verkauft. Drei gibt es davon an diesem Samstag Nachmittag, die gut zwei Stunden dauern. Die jeweils rund 60 Mitgänger werden an insgesamt 14 Stationen geführt – und erleben dabei allerlei Wunderliches.