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Genagelt, was die Seele hergab (14.09.2005)






Von Manfred Horn

Um es gleich vorwegzunehmen: So etwas haben Sie noch nicht gesehen. Was Karl Junker schuf, ist völlig einmalig und so auch eine kleine Reise ins benachbarte Lemgo wert. Das nach ihm benannte ›Junker-Haus‹ in Lemgo ist seit gut einem Jahr restauriert. Hinter dem Haus an der Hamelner Straße, das komplett aus Holz hergestellt ist, findet sich nun auch kleiner Museumsanbau, in dem weitere Exponate des außergewöhnlichen Künstlers stehen und hängen.

Von der Straße fällt das Haus nicht sofort auf, weil es ein ganzes Stück zurückgesetzt gebaut würde. Die wenig exponierte Lage muss also durch gezielte Anschau ersetzt werden. Wer aber blickt, wird von außen zunächst denken, es handele sich um ein ungewöhnliches Fachwerkhaus. Endgültig in den Bann gezogen wird der Betrachter, wenn er das Junkerhaus betritt. Dort existiert ein eigener, geschlossener Kosmos, der einen sofort in seinen Bann zieht. Die kleinen Fenster geben nur wenig Licht, es ist halbdunkel.

Die Räume des dreigeschossigen Hauses sind klein, bis hin zum Puppenstubencharakter. Überall an den Wänden finden sich von Junker selbst geschnitzte farbige Holzornamente, die er im ganzen Haus aufgenagelt hat. Auch die Möbel sind aus Holz, meistens aufwendig geschnitzt. In gewisser Weise schuf Junker dabei ein gelungenes Blendwerk. Denn auf die Grundkonstruktion seiner Möbel legte er wenig wert: Einfache Holzverbindungen, Leimungen und Nagelungen kontrastieren sich mit den reichlichen Dekorationen. Darunter auch ungewöhnliche Dinge wie ein Thron in seinem Atelier. Immer wieder finden sich christlich motivierte Schnitzereien, nur im dritten Stock, wo Junker seinen Schlafraum hatte, auch weltliche Darstellungen, bevorzugt von Frauen.

Karl Junker wurde 1850 in Lemgo geboren, besuchte das Gymnasium und schloss eine Tischlerlehre ab, wanderte in Europa umher und schrieb sich an der Akademie für bildende Künste in München ein. 1885 kehrte er endgültig nach Lemgo zurück. Dort arbeitete er nun als Maler. 1889 begann er dann sein Haus zu bauen, den Rohbau entwarf er, die Arbeiten wurden aber von einem Zimmermeister durchgeführt. 1891 war das Haus so weit fertig gestellt, dass es bewohnbar war. Karl Junker zog auch sofort ein. Er bewohnte das Haus in den folgenden Jahren und schuf die einzigartige Innenarchitektur aus Holz. 1912 verstarb in Folge einer Lungenentzündung.


Wer war Karl Junker?

Wer solch ein mysteriöses Haus baut, um den ranken sich auch allerlei Gerüchte. Auch wird ihm immer wieder eine große Tragik angedichtet: Er baute ein Familienwohnhaus, lebte darin aber zeitlebens allein. Daraus entstand die Legende, er sei unglücklich verliebt gewesen, die Angebetete aber zog nie in das Haus. Als sie nach einem Aufenthalt in Holland nicht nach Lemgo zurückgekehrt sei, habe er sich aus Gram in eine Traumwelt zurückgezogen und sein Leben mit dem Beschnitzen des Hauses und der Möbel verbracht.

Ob dies allerdings wirklich so war, ist bis heute unklar. Schließlich wollten die Lemgoer sich einen Reim machen auf den Außenseiter, sie brauchten eine Geschichte, eine Erklärung, um das Außergewöhnliche verstehbar zu machen. Sicher ist nur, dass Junker zumindest in seinen letzten Lebensjahren ein Außenseiter war, der zurückgezogen in seinem Haus lebte. Er habe dies nur verlassen, um in einer Gaststätte sein Mittagessen einzunehmen, wird berichtet. Wenn Fremde kamen, um seine Gemälde zu besichtigen, habe er aber gerne selbst die Führung übernommen.

Nach dem Tod Junkers übernahmen Nachbarn die Öffnung des Hauses. Wer wollte, konnte es besuchen. Bevor das Haus renoviert und im vergangenen Jahr neu eröffnet wurde, konnten sich Besucher von Anni und Karl Ellinger, die auf der anderen Straßenseite wohnten, einen Schlüssel holen und das Haus auf eigene Faust besichtigen.