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»So ein Fehler darf nicht passieren« (Teil 4)



Wir haben die Flexibilisierung der Arbeitszeit. Das heißt: wöchentliche Arbeitszeiten bis zu 40, manchmal 45 Stunden. Im Durchschnitt werden dann zwar wieder 35 Stunden erreicht. Aber die 35-Stunden-Woche ist nicht mehr so sichtbar wie sie einmal von der Theorie her gedacht war. So sagen viele vordergründig: ›Arbeitszeitverkürzung hat ja gar nicht zu mehr Freizeit geführt.‹ Es gibt nicht mal ansatzweise eine ernstzunehmende Diskussion innerhalb der Bielefelder IG-Metall-Mitgliedschaft darüber, weitere Arbeitszeitverkürzung vorzunehmen. Vor dem Hintergrund der Einkommensentwicklung hat die Erhöhung der Löhne und Gehälter bei unseren Mitgliedern zur Zeit Priorität.


Die Gewerkschaften waren im Frühjahr sehr aktiv bei der Debatte um die Agenda 2010. Zwickel fand sehr kritische Worte bei der 1. Mai - Kundgebung im Ravensberger Park. Im Moment ist es sehr still geworden. Ist von den Gewerkschaften noch irgendetwas zu erwarten?

Für mich ist der Punkt Agenda 2010 ausgezählt. Wir haben versucht, dagegen zu mobilisieren. Wir haben in Bielefeld alle Funktionäre persönlich auf eine Demonstration in Detmold aufmerksam gemacht, indem wir ihnen einen Brief nach Hause geschickt haben. Wir haben Tausende von Flugblättern verteilt, in der Hoffnung, dass wir Widerstand dagegen organisieren können. Es haben aus Bielefeld keine 80 Kolleginnen und Kollegen an der Demonstration teilgenommen, so dass sich die Frage eines weiteren Protestes erübrigt.


Der Blick nach vorne: Wie wird sich die IG-Metall zukünftig positionieren? Es wird ja gerne gesagt, man müsse mehr ausdifferenzieren, nicht nur die meist männlichen Facharbeiter in den Großbetrieben vertreten. Gibt es da Überlegungen vor Ort und in der gesamten IG-Metall, wie man den gesellschaftlichen Ausdifferenzierungen begegnen kann?

Das sind alles Schlagworte: Der männliche Facharbeiter, die IG-Metall muss sich modernisieren. Letztlich werden wir daran gemessen, was wir für eine konkrete Arbeit in den Betrieben machen. Die IG-Metall, dass sind ja nicht nur die Hauptamtlichen, sondern auch die Betriebsräte und die Vertrauensleute. In Bielefeld sind wir auf einem guten Wege, was die Anerkennung von Realitäten betrifft. D.h. aber nicht, dass man sich kritiklos den Realitäten anpassen muss, die Fahne nach dem Wind drehen muss. Man muss durchaus Prinzipien haben, aber man darf den Blick nicht davor verschließen, dass sich die Welt verändert hat. Ein Beispiel: Vor fünf Jahren wäre derjenige, der gesagt hat, wir müssen einen Tarifvertrag zur Leiharbeit abschließen, innerhalb der IG-Metall noch fürchterlich verprügelt worden als derjenige, der aus dem Bereich des Neoliberalismus kommt. Heute sind Tarifverträge in diesem Bereich Realität. Ein weiteres Beispiel: Innerhalb der IG-Metall hat es lange Zeit eine sehr kritische Diskussion zur Gleitzeit gegeben. IG-Metaller haben Gleitzeit abgelehnt, die mittlerweile im Angestelltenbereich fast überall Normalität ist. Den Zug haben wir verpasst. Und: Als Gewerkschaftler waren wir auch gegen Flexibilisierung. Aber in der Form, wie wir uns dagegen aufgestellt haben, haben wir es vertan, diesen Punkt tariflich zu gestalten. Das Ergebnis: In diesem Bereich haben wir heute großen Wildwuchs. Im Ergebnis heißt das: Dinge, die man nicht verhindern kann, muss man gestalten. Weil wir sonst tarifpolitische Möglichkeiten vergeben, im Interesse der Beschäftigen einzugreifen.