»Eine Stunde Glück vermag ein langes Stück dorniger Lebenswege zu erhellen. Das sind die Farben der Sonne«, schreibt die Prager Autorin Lenka Reinerová am Ende ihrer biographischen Erinnerungen. Zu ihrem Leben gehören auch die Farben der Nacht: Exil, Haft, Schreibverbot, Krebs.
1916 wurde Lenka Reinerová in der Tschecheslowakei in einer jüdischen Familie geboren. Die jüdische Religion wurde nicht praktiziert, den Eltern war es wichtig, in der Umgebung und Nachbarschaft nicht aufzufallen. Das nutzte ihnen nichts, die Eltern, die Schwestern, weiter Angehörige und FreundInnen wurden von den Nazis deportiert und ermordet. Lenka Reinerova´ überlebte als einzige. Zufällig war sie, die Jüdin und Kommunistin, durch ihre Tätigkeit als Redakteurin für eine Arbeiterzeitung in Paris, als die Deutschen in die Tschecheslowakei einmarschierten. Ihr Exil ist geprägt durch Einzelhaft in Frankreich mit anschließender Internierung in Rieucros, ein Lager für »unerwünschte, verdächtige oder sonst wie unerwünschte Ausländerinnen«. Als nächste Etappe auf der Flucht ins Asylland Mexiko landet sie auf einem Flüchtlingsschiff vor der Küste Maroccos und wieder folgt Internierung, diesmal im Wüstenlager Oued-Zuem, Wellblechbaracken inmitten der Wüste. Doch gelingt es ihr, Mexiko zu erreichen.
Erst 1948 kehrt Lenka Reinerová in ihre Heimatstadt Prag zurück, allerdings ohne die tschechische Staatsbürgerschaft. Diese verlor sie durch die Ehe mit ihrem jugoslawischen Mann. Zu dieser Zeit ist die Tschecheslowakei ein kommunistischer Staat, Lenka Reinerová ist entschlossen, persönlich dazu beizutragen, eine neue, gerechte Gesellschaft aufzubauen. Doch 1952 verliert sie plötzlich ihre Arbeitsstellung beim Rundfunk, kurze Zeit später wird sie völlig überraschend verhaftet. Auf ihre Frage nach dem Grund wird der Ahnungslosen immer wieder entgegnet, dass sie das selbst am besten wisse. Es folgen 15 Monate Inhaftierung, meistens in Einzelhaft. Irgendwann steht ein Prozess mit ungewissem Urteil an, bis dahin gilt es, die Haft und die unsinnigen, aber gefährlichen Verhöre zu überstehen, den Mut und die Hoffnung nicht zu verlieren.
Lenka Reinerová schreibt, »Menschen im Gefängnis durchleben ihre Vergangenheit mit besonderer Intensität, in all ihren Schattierungen, mit all ihren Farben, Klängen und Gerüchen.« Sie schafft es, selbst aus den Verhören und Geständnisforderungen, Kraft zu ziehen. Die Fragen in dieser unwirklichen und paradoxen Situation wirken wie Stichworte.