Amma Darkos neuer Roman Die Gesichtslosen, der in Accra, der Hauptstadt Ghanas spielt, liest sich ein bisschen wie ein Krimi. Es geht um Armut, Gewalt, speziell sexualisierte Gewalt aber auch um Emanzipation, Aufbruch. Ausgangspunkt der temporeichen Geschichte ist der Mord an einer jungen Frau, deren Identität nicht eindeutig ist. Sehr unterschiedliche Personen, in der Hauptsache Frauen, treffen aufeinander, treten in Beziehung. Fofo, eine der Hauptpersonen, ist ein vierzehnjähriges Strassenkind, sie lebt von Gelegenheitsarbeiten und Diebstählen. Ihr Alltag ist heftig, teilweise brutal, nicht immer ist klar, wo und wie sie die Nacht verbringen wird. Dennoch gewinnt sie diesem unsicherem Leben Positives ab, sie fühlt sich frei, autark, unabhängig von der Mutter, die ja doch nicht für sie sorgen kann. Doch dann taucht plötzlich die Leiche einer jungen Frau auf, Fofo glaubt in ihr die Schwester zu erkennen und plötzlich gerät sie selbst in Gefahr, entgeht knapp einer Vergewaltigung.
Kabria, eine emanzipierte Frau, die in einem Frauenkollektiv arbeitet, erzieht drei verwöhnte Kinder. Dazu hat sie einen Ehemann, der von Partnerschaft nicht viel und die patriarchale Arbeitsteilung in der eigenen Familie für selbstverständlich hält. Kabria und Fofo begegnen sich, und damit stoßen äußerst unterschiedliche Lebensrealitäten aufeinander. Kabria und ihre Kolleginnen ergreifen für Fofo Partei, versuchen ihre Geschichte und den Tod der Schwester aufzuklären. Das gelingt ihnen, indem sie in FoFo mehr als nur einen Fall sehen. Sie müssen den Spagat wagen zwischen persönlicher Anteilnahme am Leben auf der Strasse und kritischer Distanz.
Ammo Darko gelingt es in spielerischer Weise, das Leben in der afrikanischen Metropole mit seinen Licht- und Schattenseiten darzustellen. Die Gesichtslosen, die Menschen, die auf der VerliererInnen-Seite stehen, werden sichtbar. Sie werden in ihrer Eigenständigkeit und Würde, in ihrem permanentem Kampf um bessere Lebensbedingungen angesichts mehr als widriger Bedingungen gezeigt. Allein das macht den Titel lesenswert. Die weiblichen Charaktere leben widersprüchlicche (emanzipierte) Lebensentwürfe, die gängige Bilder und Wertungen infrage stellen. Auch das ist gelungen.(rk)
Amma Darko, Die Gesichtslosen, Schmetterling Verlag, 2003, 16,80 Euro
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