Samira Bellil: »Durch die Hölle der Gewalt«
Kein Roman, sondern ein anstrengender, erschreckender Bericht: Samira Bellil schreibt, um das Überlebte zu verarbeiten: mit dreizehn Jahren wurde sie das erste mal Opfer einer Massenvergewaltigung. Sie ist verliebt in einen achtzehnjährigen Bandenchef. Noch während der vermeintlichen Romanze, die hauptsächlich aus schnellem Sex besteht, überlässt ihr Freund sie seinen Kumpels als sexuelles Freiwild. »Man leiht sich untereinander Mädchen wie eine CD oder einen Pullover aus. Sie werden wie ein Joint herumgereicht.« Einer der besten Freunde ihres Geliebten, ein berüchtigter Schläger und der Organisator dieser Gruppenvergewaltigungen zwingt sie weiterhin, seine sexuellen Bedürfnisse zu befriedigen. Die Dreizehnjährige ist total geschockt und verstört, sie verliert angesichts permanenter Bedrohung und Todesangst mehr und mehr den Boden unter den Füßen.
Aus Angst und dem Wissen, das ihr eh nicht geglaubt wird, erstattet sie keine Anzeige. In ihrem Umfeld bedeutet das, sie hat in ihre Vergewaltigung eingewilligt und wird als Hure stigmatisiert. Sie erfährt kaum Solidarität, weder von der eigenen Familie noch von Freundinnen. Letztlich schmeißt der eigene Vater sie aus der Wohnung, für ihn ist seine Tochter schuldig, die hat die Ehre der Familie und damit vor allem seinen Ruf verletzt. Samira lebt auf der Strasse und in Heimen, sie hält sich mit Diebstählen über Wasser, nimmt Drogen, stürzt sich ins Nachtleben, hat Sex mit (fast) jedem, was macht das schon. Sie schämt sich, fühlt sich beschmutzt und verzweifelt und gibt sich selbst die Schuld an den erlittenen Demütigungen und Vergewaltigungen.