Die Tour de France stand in diesem Jahr bisher im Schatten der Fußball WM. Nun könnte sie aus dem Schatten heraustreten, da die WM vorbei ist. Doch die meisten Spitzenfahrer einschließlich Jan Ullrich sind bei der Tour 2006 überhaupt nicht dabei.
Die spanische Polizei hatte einen Doping-Ring rund um den Arzt Eufemiano Fuentes hoch genommen. Kurz vor der Tour sickerten dann immer mehr Namen betroffenener Fahrer und Betreuer duch: Zu ihnen zählten auch T-Mobile Team Kapitän Jan Ullrich und dessen Betreuer Rudi Pevenage. Letzter ist inzwischen entlassen, Ullrich vorerst nur suspendiert. Mit Ivan Basso vom dänischen Rennstall CSC erwischte es einen weiteren Favoriten der Tour.
Der WebWecker sprach über die Dopingfälle mit Andreas Beune. Der Bielefelder Historiker, Journalist und Buchautor beschäftigt sich seit langem mit Doping im Radsport. Im vergangenen Jahr erschien von ihm im Covadonga Verlag »Did Not Finish. Der Radsport und seine Opfer«. In dem Buch portraitierte Beune 20 Opfer des Radsports. Sie starben jung, und viele von ihnen wohl in Folge Dopingkonsums.
Interview: Manfred HornWebWecker:
Kam das Tour-Aus für Jan Ullrich für Sie überraschend?Andreas Beune: Mir war klar, dass vor der Tour de France noch etwas passiert. Es war absehbar, seit der Ring um den spanischen Arzt Fuentes aufgeflogen ist. Ich habe sowieso nie geglaubt, dass alle möglichen Spitzenfahrer gedopt sein sollen und Jan Ullrich nicht. Aber dass er in diesen Ring so verwickelt ist, hat mich schon ein bisschen überrascht.
Es ist nicht der erste Doping Skandal bei der Tour de France. Was bedeutet das für den Profiradsport?Die Reaktionen von der Tour de France Direktion als auch von den Mannschaften fand ich gut. Obwohl noch keine endgültigen Beweise vorliegen, haben sie beschlossen, die Fahrer nicht starten zu lassen. Nur so kann es gehen. Es ist auch gut, dass Top-Fahrer beschuldigt werden und nicht nur irgendwelche Fahrer aus dem hinteren Feld.
Es sind aber einige Top-Fahrer im Feld verblieben. Ist es nicht auch naiv anzunehmen, dass diejenigen, die nun durch Frankreich radeln, nicht gedopt sind?Es gibt immer noch genügend Fahrer und Betreuer mit entsprechender Vergangenheit und Kontakten. Dies legt nahe, dass da auch gedopt wird. Ich glaube nicht an ein dopingfreies Teilnehmerfeld. Aber je mehr die Schlinge sich zuzieht, desto weniger Fahrer werden dopen.
Zieht sich die Schlinge zu? Nach dem letzten großen Dopingskandal bei der Tour 1998 wurden auch Konsequenzen angekündigt. Nun sind wir fast zehn Jahre weiter, und alles scheint beim alten.Die Schlinge zieht sich zu, weil die Staatsorgane handeln. Nach Italien und Frankreich nun auch Spanien, ein Land, das bis vor kurzem als Dopingparadies galt. Der Druck wird größer und es wird immer schwieriger, entsprechende Doping-Ringe aufzubauen. Wenn der Staat Strafen ausspricht und Fahrern sogar ein Gefängnisaufenthalt droht, ist das wirksam und abschreckend. In Deutschland gibt es ja auch die Debatte, ob eine verschärfte Anti-Doping-Gesetzgebung nötig ist. Ein Problem sind aber die Kontrollen. Die hinken dem Doping hinterher. Da müsste mehr geforscht werden. Da stehen sich aber einzelne Instanzen gegenseitig im Weg: Die internationale Antidopingagentur WADA und der Welt-Radsportverband UCI können sich überhaupt nicht leiden. Wenn es da keine Zusammenarbeit gibt, wird es weiter ein Problem geben.