»Die Erwachsenen stellten Nachforschungen an, wie es dazu kommen konnte, dass ein Kind verschwand, nannten aber keine Namen, wie sie es tun, wenn Kinder etwas ausfressen. Sie sprachen von einem ganzen »Katalog von Fehlern«, als kämen diese mit der Post und müssten irgendwann später bezahlt werden.« Selbstverständlich wird kein Versagen per Post in Rechnung gestellt, dennoch behält die britische Autorin Clare Sambrock, 1964 geboren und Mutter zweier Kinder, mit diesem Eingangssatz ihres neuen Roman irgendwie Recht.
In »Der Freitag Nach Dem Freitag nach dem Sonntag«, im Original übrigens schlicht »Hide & Seek«, ist das plötzliche Verschwinden eines vertrauten Menschen Thema, das Besondere ist die Perspektive, aus der dies geschieht, nämlich die eines Kindes: Nach einem ausgelassenem und spannendem Schulausflug ins Legoland, einer gemütlichen Busheimfahrt mit Brötchen, Süßigkeiten, Müdigkeit und Albereien, stellt der neunjährige Harry Pickels bei der Ankunft auf dem Schulparkplatz plötzlich fest, dass sein kleiner Bruder Dan nicht da ist, einfach weg ist.
Harry findet seinen kleinen Bruder nicht immer klasse, öfter nervig, manchmal peinlich. Jetzt ist er allerdings schockiert. Ein Schock, dessen Ausmaß und unterschiedliche Auswirkungen auf die beteiligten Personen im Laufe des Romans deutlich werden. Harry erwartet Hubschrauber mit Suchscheinwerfern, Trupps von Polizei oder Soldaten, die bewaffnet unwegsames Gelände auf der Suche nach seinem kleinen Bruder durchkämmen, Straßensperren, aber all dies Spektakuläre findet so, wie er es phantasiert, nicht statt.
Die kriminalistische Suche mittels alltäglicher polizeilicher Feinarbeit oder die Suchaufrufe seiner Eltern via TV bekommt er nicht mit, vielleicht ist zumindest dies ein Fehler oder Versäumnis. Denn Harry fühlt sich trotz seiner neun Jahre als der ältere Bruder und deshalb verantwortlich und mehr oder weniger schuldig an dem Verschwinden seines kleinen Bruders. In der schrecklichen Situation nimmt kaum jemand seine Gefühlslage wahr oder setzt sich wie es notwendig wäre, ganz speziell mit ihm und seiner komplizierten Gefühlslage auseinander. Die Eltern sind damit schlichtweg überfordert, sie konzentrieren sich auf die Suche nach ihrem Sohn Dan und die entstehenden Probleme in ihrer Beziehung. Auch sie müssen die Situation erst begreifen...
Clare Sambrock zeichnet in ihrem in heiterem, leichten Tonfall geschriebenem Roman mit Feingefühl das Porträt dieses Neunjährigen, trotz des schweren Themas nicht ohne Charme und britischem Witz. Letztlich eine sehr authentisch wirkende Geschichte, trotz der Dramatik sehr lebendig und lesenswert.
Clare Sambrook, »Der Freitag Nach Dem Freitag nach dem Sonntag«, Kindler Verlag, 285 S., 2006, 18,90 Eurobuch_eulenspiegel@gmx.de per Mail bestellen]