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Irene Dische: »Großmama packt aus« (Dezember, 2005)



Titel: rene Dische: »Großmama packt aus«

»Das meine Enkeltochter so schwierig ist, hängt vor allem mit Carls geringer Spermiendichte zusammen. Er hat seine kleinen Männer durch Heldenhaftigkeit ermordet. Darüber später mehr. Jedenfalls brachte er nur ein Kind zustande. Und dieses hatte das falsche Geschlecht.«

Das einzige Kind ist ein Mädchen, die hochbegabte und überaus intelligente Tochter Renate. Elisabeth Rother, die Großmutter packt aus, und das im wahrsten Sinne des Wortes: Schon an diesen ersten Sätzen des Romans zeigt sich: Sie erzählt hemmungslos, kein Tabu bleibt unberührt. Irene Dische, ist eine wortgewandte, schnelle und äußerst humorvolle Erzählerin, ihr Humor ist oft schwarz und bissig. Sie stellt sich selbst an den Ausgangspunkt der scheinbar unreflektierten Erzählung ihrer Großmutter und somit des Romans, ein gelungener Trick, denn so hat die Geschichte autobiographischen Charakter ohne absolut authentisch und wahr sein zu müssen. »Denn diese schauderhafte kleine Geschichte betrifft meine Enkeltochter, das ganze Wie und Warum ihres Lebens, eine Art Beichte, die ich ihr aufschreiben will, weil auch sie in ihrem Leben einen Punkt erreicht hat, wo sie dringend mit ihrem Gewissen aufräumen muss. Auf dem lastet nämlich so einiges. Aber daran ist sie nicht allein Schuld. Sie hatte schlimme Vorbilder, ihre Mutter und ihren Vater. Und in Sachen Moral war sie schon von Natur aus nicht gut gerüstet.«

Diese schauderhafte kleine Geschichte spannt einen weiten Bogen von der Kindheit der Großmutter in Deutschland noch vor der nationalsozialistischen Machtergreifung bis zu deren Tod im hohen Alter in den USA. Was könnte so schwer auf dem Gewissen dieser Enkelin lasten, dass es schwerer wirkt als die Schuld der nationalsozialistischen Täter? Elisabeth Rother räumt auf: sie erinnert vieles und gibt gerne ihre äußerst subjektive Sicht der Dinge weiter. Und es wird deutlich, dass sie den grundsätzlichen Ratschlag ihrer Großmutter stets als Leitmotiv verfolgte: »Es ist Frauensache, dafür zu sorgen, dass die Familie ihr Niveau hält. Männer sind nicht stark genug. Die Frauen müssen darauf achten, dass sie nicht aus der Reihe tanzen, auch nicht aus der Ahnenreihe.«

Auf die ist Elisabeth Rother, Tochter einer gutbürgerlichen katholischen Familie aus dem Rheinland nämlich stolz, gibt es doch Verbindungen zum Adel; »das sind Leute – eine Kette von Leuten, die ein Gefühl von Würde und Wert von einer Generation an die nächste weitergeben, und zwar behutsam, damit nichts verloren geht,« wahrscheinlich genauso wie die Familienjuwelen, u.a. ein Geschenk Zar Alexanders. Und das erfahren die LeserInnen von Anfang an, Irenes größter Fehler, sie bewahrt nicht, sie verkauft, ja sie verscherbelt geradezu, und nicht nur den Familienschmuck, doch dazu später mehr, wie Elisabeth Rother sagen würde.