In der vergangenen Woche verweigerten die Ausländerbehörde Recklinghausen und die JVA Büren einem Abschiebhäftling die Teilnahme an der Beerdigung seines Kindes. Die Abschiebehaftanstalt nennt fehlende Ressourcen und schlechte Erfahrungen als Grund dafür, dass der Häftling sich nicht von seinem Kind verabschieden konnte.Von Mario A. Sarcletti»Wenn jemand in Haft ist, dann ist er weitgehend daran gehindert, Termine außerhalb wahrzunehmen, freudige und traurige«, weiß Franz-Josef Schumacher von der Justizvollzugsanstalt in Büren. Im aktuellen Fall ging es um eine traurigen Termin: Das Kind des Abschiebehäftlings Radenko D. (Name geändert) wurde beerdigt, durch Entscheidungen der Ausländerbehörde und des Amtsgerichts Recklinghausen sowie der JVA wurde D. an der Teilnahme an der Trauerfeier gehindert.
D. floh nach Angabe des Vereins »Hilfe für Menschen in Abschiebehaft« 1993 mit seinen Eltern vor dem Krieg in Jugoslawien nach Deutschland, vor fünf Jahren lernte er hier seine Verlobte kennen. Die Heirat der beiden scheiterte bisher an der Beschaffung der nötigen Papiere aus Serbien. Im Frühjahr kündigte sich Nachwuchs an.
Am 28. August diesen Jahres wurde D. in Abschiebehaft genommen. »Seine Frau, die zu dem Zeitpunkt im sechsten Monat schwanger war, verkraftete die Aufregung und die Angst um ihren Mann nicht, sodass die Fruchtblase am 10. September platzte und das Kind tot zur Welt kam«, beschreibt Frank Gockel vom Bürener Hilfsverein die Folgen. Am 13. September wurde das Kind beerdigt.
Selbstverständlich wollte D. an der Beerdigung seines Kindes teilnehmen, die zuständige Ausländerbehörde in Recklinghausen verweigerte jedoch die Genehmigung. Auch das dortige Amtsgericht lehnte den Antrag ab, D. für diesen Tag aus der Haft zu entlassen. Beate Bröker vom Sozialdienst Katholischer Frauen in Lüdinghausen setzte sich für D. ein, sprach mit einem Richter des Amtsgerichts. »Ich habe ihn darauf hingewiesen, dass er seine Entscheidung unabhängig von der Ausländerbehörde treffen könnte«, erinnert sie sich an das Telefongespräch. Der Richter habe ihr zugestimmt, dass das zwar theoretisch richtig sei, er in diesem Fall sich aber der Entscheidung der Behörde anschließe. »Und dann kam die absolute Lachnummer: Der Richter sagte mir, dass der Flüchtling an der Beerdigung ja auch nicht teilnehmen könnte, wenn er bereits abgeschoben wäre«, berichtet Beate Bröker dem Webwecker.
Daraufhin äußerte D. die Bitte an der Beerdigung teilnehmen zu können gegenüber den Beamten der Justizvollzugsanstalt, auch sie lehnten sie ab. »Ausführungen« seien zwar im Strafgesetzbuch vorgesehen, an das man sich hier anlehnen könne, erläutert Franz-Josef Schumacher. Der große Unterschied zwischen Abschiebehäftlingen und Strafgefangenen ist jedoch, dass die in Büren Einsitzenden nicht straffällig wurden, ihre Haft soll nur die Durchführung eines Verwaltungsaktes, nämlich die Abschiebung, erleichtern. Dennoch haben Gefangene in Abschiebhaftanstalten schlechtere Chancen auf Ausführung als Straftäter. »Bei Strafgefangenen geht es bei der Ausführung ja zum Beispiel auch um Wiedereingliederung, das entfällt ja bei Abschiebehaft«, erklärt Franz-Josef Schumacher.
Kostenträger unbekanntAllerdings gebe es auch in Büren Ausführungen, etwa wenn ein Häftling zu einem Facharzt müsse. »Dafür haben wir auch das Personal und die Fahrzeuge, für etwas anderes reicht das nicht«, sagt Schumacher. Ein Argument, das Frank Gockel für vorgeschoben hält: »Die Anstalt ist doch zur Zeit nur zur Hälfte belegt«, sagt er. Ein weiterer Grund, der Bitte D.s nicht stattzugeben, ist laut Schumacher, dass unklar sei, welcher Kostenträger für die Ausführung in diesem Fall aufkomme.