Webwecker Bielefeld: abschiebeunrecht02

Zu Unrecht in Abschiebehaft (Teil 2)



Untertauchen bei der Ausländerbehörde?

Die Ausländerbehörden sind zudem eigentlich dazu verpflichtet, den Haftgrund präzise anzugeben. So müssten sie darlegen, »warum mildere Mittel zur Vermeidung von Abschiebungshaft ... nicht in Frage kommen«, wie es in den Richtlinien des Landes heißt. Mildere Mittel heißt, ob es andere Möglichkeiten gibt, den Betroffenen vom »Untertauchen« abzuhalten. Denn nur wenn es Anhaltspunkte dafür gibt, dass sich der Migrant der Abschiebung entziehen will, darf Abschiebehaft verhängt werden. Deshalb ist es nur schwer nachvollziehbar, dass Menschen in einer Ausländerbehörde bei der Verlängerung ihrer Duldung verhaftet werden. »Mit Verlaub gesagt, die Ausländerbehörde ist sicherlich eine der letzten Stellen, an die sich ein Flüchtling vor seinem Untertauchen wenden wird«, formulierte denn auch Frank Gockel bei dem Fachgespräch im November.

Auch gegen eine weitere Voraussetzung für Abschiebehaft verstoßen Ausländerbehörden und Amtsrichter immer wieder: »Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten 3 Monate durchgeführt werden kann und der Ausländer das Abschiebungshindernis oder die Verzögerung nicht zu vertreten hat«, schreiben die Richtlinien unter Ziffer 3.2.2 vor. Dass er keine Papiere hat, ist nach den Richtlinien »kein ausreichender Grund für die Inhaftierung«.

Dennoch werden immer wieder papierlose Marokkaner oder Pakistani inhaftiert, deren Herkunftsländer keine Passersatzpapiere ausstellen, weshalb sie auch nicht abgeschoben werden können. Auch Nepal weigert sich meist selbst bei Personen, deren Identität geklärt ist, entsprechende Dokumente auszustellen. »Für ca. 40 Personen, deren Identität geklärt war und für die Heimreisedokumente bei der Botschaft beantragt wurde, wurden ganze 6 Dokumente in den letzten 2 Jahren ausgestellt«, stellte im März 2004 die ZAB Bielefeld fest. Ist die Identität ungeklärt kann praktisch nie abgeschoben werden. »Alle Fälle ohne Nachweise werden zur angeblichen Überprüfung nach Nepal gesandt, wobei mir nicht ein Fall bekannt ist, dass jemals eine Antwort von der Botschaft an uns weitergegeben wurde«, beschrieb im März 2004 ein Mitarbeiter der ZAB seine Erfahrungen.

Schwierig ist die Beschaffung von Reisedokumenten auch bei indischen Staatsbürgern. Sie dauert meist länger als drei Monate. Da es aber »Fälle gibt, in denen das Passersatzpapier auch bei Passlosigkeit innerhalb von drei Monaten erlangt werden konnte«, wie es in dem Protokoll der Dienstbesprechung heißt, hält das Innenministerium Abschiebehaft in diesen Fällen für zulässig. Dass jedoch von mehr als fünfzig Indern ohne Papiere, die seit 2002 bis zu 262 Tage (Stand: Oktober 2004) in Abschiebehaft saßen, nur einer abgeschoben wurde, relativiert diese Einschätzung. »Zur Zeit sitzen auch nur noch zwei Inder in Büren, vor der Dienstbesprechung waren es immer so um die fünfzehn«, erklärt Frank Gockel. Er vermutet, dass die Dienstbesprechung zu einer Änderung des Vorgehens geführt hat.

Noch strenger sind die Richtlinien, wenn es um die Inhaftierung von Minderjährigen geht. Nicht drei Monate, sondern nur sechs Wochen Abschiebehaft dürfen über Jugendliche unter 18 Jahren verhängt werden. Aber auch dagegen verstoßen Gerichte und Ausländerbehörden. In zumindest zwei Fällen genehmigten im vergangenen Jahr die Amtsgerichte Kerpen und Bocholt drei Monate Haft für einen 17-Jährigen. »Aktuell ist ein 16-Jähriger in Büren inhaftiert, bei dem das Amtsgericht Köln drei Monate Haft genehmigt hat«, berichtet Frank Gockel auf Anfrage des WebWeckers von einem aktuellen Fall.