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Zu Unrecht in Abschiebehaft (20.7.2005)
Immer wieder protestieren Menschen gegen Abschiebehaft: Hier im Oktober 2004 in Büren
Etwa dreitausend Menschen werden nach Angaben des Vereins »Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren« in NRW pro Jahr in Abschiebehaft genommen, nach Meinung des Vereins befanden sich einige hundert von ihnen in den vergangenen Jahren zu Unrecht im Gefängnis. Dass die Haftanträge der Ausländerbehörden wiederholt gegen die geltenden Richtlinien verstoßen, ist auch im Innenministerium bekannt. Das geht aus dem Protokoll einer Dienstbesprechung hervor, zu der das Ministerium am 12. Januar Vertreter von Bezirksregierungen, Zentralen Ausländerbehörden, des Amtsgerichts Paderborn und der Abschiebehaftanstalt Büren bestellte.
Von Mario A. Sarcletti
»Die Bezirksregierungen werden die Ausländerbehörden zur strikten Anwendung der Richtlinien anhalten«. Immer wieder taucht der Satz im Protokoll einer Dienstbesprechung vom 12. Januar diesen Jahres auf, bei dreizehn von sechzehn Themenkomplexen erging diese oder eine ähnliche Anweisung an die Bezirksregierungen. Der Besprechung in Büren vorausgegangen war ein Fachgespräch der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen im November vergangenen Jahres. »Abschiebungshaft alles nach Recht und Gesetz?« war der Titel der Veranstaltung, eine Frage die Frank Gockel vom Verein »Hilfe für Menschen in Abschiebehaft in Büren« in einem Vortrag klar verneinte. Auch Frauen und Opfer von Menschenhandel würden entgegen der Rechtslage inhaftiert, berichtete zudem Anna Maria Scherber von der Frauenberatungsstelle Düsseldorf. Sie betreut weibliche Abschiebehäftlinge, die in Neuss inhaftiert sind.
Bei dem Fachgespräch beschrieb Scherber anhand von Einzelfällen die rechtswidrige Praxis im Umgang mit Frauen, die Opfer von Menschenhandel geworden sind. Die Richtlinien des Landes sehen vor, dass diesen vier Wochen lang die Möglichkeit zur freiwilligen Ausreise gegeben werden muss, dennoch wandern viele direkt in Haft. Sollten die Frauen in einem Strafverfahren - zum Beispiel gegen ihren Zuhälter als Zeugen in Frage kommen, müssen sie eine Duldung erhalten, Abschiebehaft wäre damit obsolet.
So hätte Oksana nicht in Abschiebehaft genommen werden dürfen. Sie war nach Misshandlungen aus der Wohnung eines Deutschen geflohen, der sie zur Prostitution gezwungen hatte. Die von einem Passanten, der ihr bei der Flucht half, gerufene Polizei kümmerte sich jedoch nicht um den Gewalttäter, sondern verhaftete Oksana. In der Abschiebehaft begegnete ihr Anna Maria Scherber. »Oksana saß vor mir, ihr Gesicht war grün und blau«, erinnert sich Scherber. Aber weder die Verletzungen noch die Bereitschaft Oksanas als Zeugin auszusagen änderte nichts an der Haft. »Die Polizei zeigt kein Interesse an der Verfolgung des Täters«, sagt Scherber. Erst die Kriminalpolizei eines anderen Ortes, in dem Oksana zur Prostitution gezwungen worden war, ist an der Zeugenaussage interessiert und die junge Frau wird aus der Haft entlassen.
Auch für Männer setzt das Land Nordrhein-Westfalen enge Grenzen für Abschiebehaft. Sie darf nur verhängt werden, wenn sie der Sicherung der Abschiebung dient. »Kein Haftgrund ist: abgelehnter Asylbewerber oder Kosten« heißt es explizit in dem Protokoll der Dienstbesprechung. Dass sich sowohl Ausländerbehörden als auch Richter immer wieder über diese Vorgabe hinwegsetzen, zeigt ein Schreiben der Zentralen Ausländerbehörde (ZAB) Bielefeld über die »Sonderrückführung« von Nepalesen. »Um dem großen Arbeitsaufwand und den nicht unerheblichen Kosten Rechnung zu tragen, sollte der Betroffenen dann möglichst schnell in Sicherungshaft genommen werden«, heißt es da.
Zu Unrecht in Abschiebehaft (Teil 2)
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