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Schröder wirft sich auf den Markt (Teil 4)



Typisch war die Berichterstattung über das Referendum zur europäischen Verfassung am vergangenen Sonntag in Frankreich – auch bei den Öffentlich-Rechtlichen Programmen: Zum einen wurde das Referendum zu einer Abstimmung über Premier Jacques Chirac hochgejazzt, in deutlicher Analogie zur Neuwahlankündigung des Bundeskanzlers Schröder und der NRW-Wahl. Zum anderen wurde die europäische Verfassung, um die es eigentlich ging, überhaupt nicht diskutiert. Der Fernsehzuschauer oder Zeitungsleser in Deutschland erfuhr in der Regel nicht, warum die Franzosen letztlich gegen die Verfassung gestimmt hatten.


Von Frankreich lernen

Zu lesen, hören und sehen war vor allem, dass die politischen Spitzen in Deutschland an die Franzosen appellierten, bitte die Verfassung zu unterstützen. Selbst als die Akademie der Künste vor gut einer Woche in Berlin wieder eröffnet wurde, durchdrang ein »leidenschaftlicher Appell« der Akademiemitglieder für ein »Ja« zur Verfassung durch die Medien. Niemand fragte nach, warum die Akademie, die eine innovative und kritische Wissenschaftsmasse darstellen will, so ein plattes Votum abgab.

Die Franzosen immerhin hatten es da leichter: In einer großangelegten Aktion war der Verfassungstext in den vergangenen Wochen für jedermann erhältlich, er wurde kostenlos und massenhaft an Kiosken ausgelegt. Gut möglich, dass zumindest die französischen Bürger wussten, worüber sie abstimmten – und warum sie letztlich mehrheitlich gegen diese europäische Verfassung stimmten.

Welche Chancen haben die einzelnen Parteien bei der kommenden Wahl? Wie gesagt, können sie vom Grossisten, eingeklemmt zwischen Persil und Adidas, jederzeit aus dem Sortiment entfernt werden, wenn sie sich nicht verkaufen. Um überhaupt ins Regal zu gelangen, muss der Preis stimmen und die Werbung. Doch die Warenwelt ist eine Scheinwelt, und solange sich Politik gut verkaufen lässt, bleibt die Parteien auf der Aktionsfläche. Einige sind dort gut sicht- und greifbar einsortiert, andere stauben im obersten Regal vor sich hin, wo kleinere Menschen kaum noch einen Zugriff haben.

Der Konsument wiederum lässt sich gerne von der Werbung verführen, verspricht sie doch Erfüllung. Der Arbeiter träumt von einem sicheren, unbefristeten Arbeitsplatz, der Rentner von steigenden Altersbezügen, der Unternehmer von weniger Steuern und mehr Gewinn. In Illusionen lässt sich eine Zeit lang schmerzfrei baden.

Doch der Konsument ahnt zugleich: Die Deklarationen sind nicht besonders gut. Ein Drittel der Bürger ist schon so weit, sich in Kaufverweigerung zu üben. Sind in der Dose mit den roten Chilis nicht in Wirklichkeit schwarze Oliven, werden hier nicht, das Trauma eines jeden Konsumenten, Äpfel zu Birnen gemacht? Frau Verbraucherministerin Renate Künast, vollbringen sie eine letzte gute Tat in ihrer Amtszeit: Verschärfen sie bitte endlich die Deklarationsvorschriften. Denn dann weiß man vielleicht, ob in der Dose mit dem gelben Mais tatsächlich gentechnisch veränderte Sorten verklappt sind oder ob gar die grünen Äpfel längst einen Anteil von Pestiziden enthalten.

Die Politik hat in den Regalen des Supermarkts nichts zu suchen. Politik gehört außerhalb des ökonomischen Spielfelds und damit auch außerhalb des Zugriffs der Wirtschaft. Doch in Deutschland werden wieder Festungen gebaut: Am Dienstag wurde in München die neue Allianz-Arena eröffnet. Acker spielte nicht mit, dafür durfte SPD-Ersatzspieler Christian Ude das Band durchschneiden. Zugegeben, das alte Olympiastadion war fürchterlich zugig. Aber genau so sollte Demokratie sein, gekuschelt werden kann woanders.