Webwecker Bielefeld: schroedermarkt03

Schröder wirft sich auf den Markt (Teil 3)



Dabei war es einmal anders gedacht: Die Parteien sollten den politischen Willen der Bevölkerung ausdrücken, sollten untereinander Alternativen aufzeigen. Heute geht es darum, die eigene Partei als Selbstzweck zu erhalten. Selbst eine moderne Bewegungspartei wie die Grünen ist in die Jahre gekommen: Will heißen, dass der Abstand zwischen ihnen und sozialen Bewegungen immer größer wird.

Aber zeigt Schröder nicht auch Ecken und Kanten, wenn er mit »seiner« Agenda 2010 in den Wahlkampf zieht, obwohl sie die Mehrheit der Bevölkerung ablehnt? Nein, er inszeniert lediglich eigene Überzeugungen. Schröder weiß von seinen Beratern, dass sich Ecken und Kanten gut verkaufen lassen, das ist wohl alles.

Die Wirklichkeit, auch die politische, ist medial konstruiert. Gerne benutzen Politiker Worte wie »Wahrheit«, »Vernunft«, »tatsächlich« oder »Klarheit«. Selbst wenn sie es »ehrlich« meinen würden, niemand würde es mehr bemerken. Überzeugungstäter fallen in der Mediensuppe nicht mehr auf, einfach weil sie für den Rezipienten nicht mehr von denen zu unterscheiden sind, die in purem Opportunismus nur noch inszenieren. Es gibt kein Entkommen mehr aus dem Gefängnis des Konstrukts. Keine Aussage ist mehr würdig, geglaubt zu werden. Das Vertrauen ist weg, denn alle wissen: Politische Aussagen sind reine Oberfläche, deren Tiefe niemand durchleuchtet, schon gar nicht diejenigen, deren Aufgabe es eigentlich wäre: die Medien.


Kein Wein mehr ohne Zusatzstoffe

Auch wenn die Bundes-CDU nun davon spricht, dem Wähler vor der Wahl »klaren Wein« einzuschenken und nichts zu versprechen, was nicht gehalten werden kann, hat das den Geschmack der Inszenierung. Es ist nicht mehr eine Grundhaltung der Ehrlichkeit, sondern die Strategie, die die beratende Public-Relations-Agentur empfiehlt, um die Wahl zu gewinnen. Es liegt ein Belag über den Worten, der sich nicht mehr wegputzen lässt.

Ein kommunales Beispiel ist der Vorschlag von Bielefelds Oberbürgermeister Eberhard David, eine Agenda für Bielefeld zu kreieren. Alle Parteien sollen sich bitte schön sachlich und fernab des dauernden Wahlkampfgebimmels daran beteiligen. Sofort merken die Grünen an: Ja, der hat ja Recht, der gute Herr David, aber der ist ja selbst in einer Partei, in der CDU! Also: Unglaubwürdig. Das Aussagespiel ließe sich aber noch weiter treiben: Ja, gute Frau Schulze, sie kritisieren das nur, weil sie auch in einer Partei sind, aber nicht in der von Herrn David. So geht das immer weiter. Ein medialer Kampf darum, wer am glaubwürdigsten Integrität und Wahrhaftigkeit konstruiert, wer die Hoheit im Diskurs hat – wem die Worte »Wahrheit« oder »Ehrlichkeit« am ehesten abgenommen werden.

Die Waschmaschine der Politik heißt Medien. Hier wird alles so lange gebleicht, gekocht und geschleudert, bis ein tragbares Stück Politik herauskommt, das die Hausfrau und den Hausmann erfreut. Die Koppelung von Politik an Medien in einer Weise, dass diese nicht mehr nur transportieren, sondern kreieren, dem ganzen den richtigen Duft und die nötige Faltenfreiheit verschaffen, ist fatal, kommt sie doch einer Entmündigung nicht nur der Politiker, sondern des Politischen, gleich.

Medien bedeuten in ihrer vorherrschenden Form nichts anderes als Markt. Die parlamentarische Demokratie ist angekommen im Supermarkt, gleich neben Persil und Adidas. Und so ist auch die Entscheidung Schröders zu bewerten: Nicht als Sieg einer lebendigen Demokratie, in der eifrig und tiefgehend diskutiert wird, sondern als flaches Inszenierungsangebot an die Medien.

Dies ist nur möglich, weil Medien, insbesondere die großen unter ihnen, in den vergangen Jahren einen Kompetenzverlust ohne Gleichen erleben. Investigativer Journalismus, der in die Nähe des (Ab-) Grundes von Konstrukten gelangen kann, ist out: Gerade verkündete die ARD, dass ab Januar 2006 ihre Politikmagazine wie ›Monitor‹ von 45 Minuten auf 30 Minuten gekürzt werden.