Von Manfred HornDer Mann mit der Cord-Jacke hätte so gerne einmal für ein paar Wochen im Mittelpunkt gestanden, doch der Stürmer mit der Nummer 9 vom Tus Talle hatte etwas dagegen: Gerhard Schröder erzielte mit seinem Entschluss, vorzeitig Neuwahlen in die Wege zu leiten, das Tor des Monats. Da blieb dem Generalisten Jürgen Rüttgers, der als bekennender Christdemokrat und Christ seine ersten beiden Kinder Marcus und Lucas benannte, nur der Platz, den eigentlich Schalke 04 abonniert hat: Zweiter zu sein.
Was ist los in der Republik? Kann sein, das Schröder den seine Mitspieler immer »Acker« nannten, weil er immer so schön wühlte aufm Platz, und der einen guten Torriecher hatte im September, wenn die Neuwahlen über die Bühne gehen, ein Golden-Goal erzielt. Vieles spricht aber nicht dafür, dass der Stürmer, der normalerweise Instinkt und Arbeit treffsicher zu verbinden mag, in diesem Fall richtig liegt. Kann aber auch sein, dass Schröder gar nicht noch einmal Kapitän der Mannschaft werden will.
Wahrscheinlicher, dass der Mann aus einfachen Verhältnissen im Lippischen in die Geschichtsbücher will. Er hat das mehrfach verneint, das Wort »historisch« kommt ihm schwer über die Lippen. Doch das nährt den Verdacht. Denn sein Kohlsches »Weiter so« taugt nicht für einen Wahlsieg, sondern höchstens für einige Zeilen in der Chronik der Bundesrepublik, Text: »Gerhard Schröder, Bundeskanzler 1998 bis 2005. Erneuerer der Sozialsysteme«. Die Variante Wahlsieg und Fortsetzung der Koalition mit den Grünen ist mehr als unwahrscheinlich, nur mühsam werden die Risse in der Koalition der Immer-Weniger-Willigen gekittet.
Wahrscheinlich, dass Schröder eine große Koalition anstrebt. Dies wird von ihm, wie auch von der Nr. 10 aus dem Osten, Angela Merkel, ihres Zeichens jüngst gekürte Kanzlerkandidatin der Union, vehement verneint. Doch glaubwürdig sind hier beide nicht. Denn, so paradox es auf den ersten Satz klingen mag, einzig die CDU kann die Fortsetzung des wirtschafts- und sozialpolitischen Kurses des Noch-Bundeskanzlers garantieren. Schröder würde abtreten, im Namen der Sache, würde ein nettes Foto im Album der Großen bekommen, direkt neben oder unter Helmut Kohl. Vielleicht träumt er gar von einem Platz neben Bismarck.
Verlierer FDP und Grüne?Diejenigen, die bei den Schröderschen Konservierungsversuchen ins Gras beißen könnten, sind FDP und Grüne. Die ewige Partei der Besserverdiener ist durchaus endlich in ihren Erfolgen, wie eine lange Reihe von Wahlniederlagen und Auswechselungen auf die Ersatzbank mangels Erreichen der 5-Prozent-Hürde zwischen 1998 und 2002 gezeigt haben. In NRW ist sie bei der Landtagswahl regelrecht abgestürzt, und doch sanft gefallen in den Schoß einer schwarz-gelben Koalition. Die Grünen regieren in keinem einzigen Bundesland mehr mit, die Sonnenblumenpartei muss sich trotz jahrelang konstant guter Umfragewerte erstmals ernsthaft Sorgen um ihre weitere Existenz als Regierungspartei machen oder wie sie immer so schaffensdrängend formuliert: Als gestaltende Kraft.
Es ist Schröder, der den Kurs vorgibt. Es ist sein Privileg als Kanzler und Entscheider. Der Stürmer Schröder wird den Wahlkampf zuspitzen: Entweder ich und meine Partei oder die Christdemokraten. Seine zentrale Botschaft ist simpel: Wer die CDU nicht will, muss die SPD wählen. Eine politische Begründung für diese Polarisierung gibt es kaum, zu ähnlich sind die politischen Konzepte von SPD und CDU.