»Es ist nicht bekannt, wie viele Lager unterschiedlichen Typs, unterschiedlicher Bestimmung, in unterschiedlicher Bedeutung und in unterschiedlicher Trägerschaft auf deutschem Boden überhaupt existierten. Für Polen in seinen heutigen Grenzen wurden 5877 Lager und ähnliche Haftstätten der nationalsozialistischen Okkupationsherrschaft ermittelt.«
Lager jeglicher Bestimmung wie Arbeitserziehungslager, Ghettolager, Polizeihaftlager, Kriegsgefangenenlager, Durchgangslager, Zwangsarbeitslager, Konzentrations- oder Vernichtungslager, um nur einige zu nennen, gehörten zum System der nationalsozialistischen Herrschaft. Die große Anzahl und der flächendeckende netzwerkartige Charakter ist noch längst nicht umfassend erforscht. Allgemein bekannt sind nur einige wenige Lager wie Auschwitz, Buchenwald, Dachau oder Bergen Belsen. Mittlerweile werden diese Lager, insbesondere Auschwitz, als Symbol für die nationalsozialistische Vernichtungspolitik verstanden. Schon die Vernichtungslager der Aktion Reinhard, Belzec, Sobibor oder Treblinka, in denen zwischen Juni1942 und Oktober 1943, also in einem recht kurzem Zeitraum ca. 250.000 Menschen, hauptsächlich Juden und Jüdinnen aus ganz Europa unmittelbar nach ihrer Ankunft in der Gaskammer ermordet wurden, sind kaum bekannt.
Einen ersten umfassenden Überblick über das nationalsozialistischen Lagersystem mit seinen vielfältigen Verknüpfungen legte Gudrun Schwarz bereits 1990 vor. »Die zunehmende Erforschung des nationalsozialistischen Lagersystems konfrontiert uns mit den Tätern, mit ihrem Terror und mit ihrem erschreckendem System der Ermordung von Menschen und dem Versuch, alle Spuren zu löschen«, so Gudrun Schwarz in ihrem damaligem Fazit.
Nun liegt der erste Band der auf insgesamt sieben Bände angelegten Gesamtdarstellung »Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager« vor, die sich umfassend dieser Thematik widmet. Wolfgang Benz, Professor für Geschichte an der TU Berlin und Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung und Barbara Distel, Leiterin der Gedenkstätte Dachau, sind die Herausgeber dieser notwendigen und gehaltvollen Veröffentlichung.
In dem vorliegendem Band wird einleitend die Organisation des Terrors von unterschiedlichen Autoren und Autorinnen näher beleuchtet.
Angelika Köder stellt fest, dass es »das typische frühe KZ« nicht gab. Nach dem Reichtagsbrand übten SA und SS willkürlichen Terror aus, es entstanden an unterschiedlichsten Orten Internierungslager, zwar mit ähnlichen Haftbedingungen und Zielen die Bevölkerung sollte diszipliniert und abgeschreckt werden , aber ohne geregelte Zuständigkeiten, was zu einer großen Anzahl willkürlicher Verhaftungen führte. Ab 1936 unterstanden die KZ ausschließlich der SS, sie wurden langfristig und für mehrere tausend Häftlinge geplant und eingerichtet.
Auch die Funktion änderte sich, entsprechend der rassistischen und antisemitischen Ideologie wurden zunehmend mehr Personengruppen zu unerwünschten deklariert und inhaftiert, z.B. sogenannte »Asoziale«, Sinti und Roma und Juden und Jüdinnen, die extrem brutal und mörderisch behandelt wurden. Ab Mitte 1941 setzte sich die Politik der Zwangsarbeit für KZ-Häftlinge durch, aufgrund der Kriegssituation vorrangig in der Rüstungsindustrie. KZ wurden nun eher als Arbeitskräftereservoirs betrachtet, allerdings ohne die katastrophalen und absolut unzureichenden Lebensbedingungen der Häftlinge zu verbessern.
Aufgrund der mörderischen Arbeitsbedingungen, des Hungers, der mangelnden medizinischen Versorgung und der unzureichenden hygienischen Bedingungen starb, tragischerweise auch noch im letzten Kriegsjahr, ein Großteil der Häftlinge, stellt Angelika Königseder fest.