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»Ohrfeige für Demokraten« (15.09.2004)





Abgedunkeltes Rundauge am Jahnplatz: Niemand weiß, ob und was diese Kamera aufnimmt


Von Manfred Horn

Die Grünen und der Bielefelder Verein FoeBuD äußern Kritik an der vor einem Monat begonnenen Videoüberwachung am Jahnplatz. Die Grünen zeigen sich verwundert darüber, dass es keinen Ratsbeschluss zu der Überwachung gab und fordern eine Überprüfung der Überwachung. Der FoeBuD, der auch alljährlich die Big-Brother-Awards für besonders negativen Umgang mit Datenschutz vergibt, spricht gar von einer »Unverschämtheit« und einer »schallenden Ohrfeige für jeden Demokraten«.

Mitte August hatten die Stadtwerke zwei Videokameras am Jahnplatz installiert und online geschaltet. Betreiber ist moBiel, die Verkehrstochter der Stadtwerke. Rund 60.000 Fahrgäste nutzten täglich den Jahnplatz, um aus- oder umzusteigen. Für rund 300.000 Euro hat moBiel Notrufsprechstellen und an jeder Haltestelle, also auf beiden Haltestellenseiten des Jahnplatzes, eine Überwachungskamera installiert.

Die Übertragung der Signale erfolge über ein internes Netz, bei Betätigung der Notsprech-Einrichtung schalten sich die Kameras automatisch dazu. Dies diene dazu, um den moBiel-Mitarbeitern auch visuell einen Überblick über eine mögliche Notfallsituation zu geben und gegebenenfalls Hilfsmaßnahmen einleiten zu können, erklärte moBiel im August. Die Videoanlagen in den Haltestellen dienten der Sicherheit unserer Kunden, nicht zu deren Überwachung, sagt Kai-Uwe Steinbrecher, technischer Leiter bei moBiel. Die Aufnahmen würden nicht aufgezeichnet und somit auch nicht gespeichert.

Genau dies wird nun aber angezweifelt, zumindest in der Ausschließlichkeit. »Die Position der Kameras stellt eindeutig einen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte dar, nicht nur der Fußgänger, sondern auch der Autofahrer«, sagt Klaus Rees, grünes Ratsmitglied und Fraktionsgeschäftsführer. Seiner Ansicht nach decken die Kameras Bereiche mit ab, die über die eigentlichen moBiel-Wartezonen hinausgehen. Auch eine Überprüfung von Kfz-Kennzeichen sei technisch möglich. »Ich bezweifele, dass das rechtlich haltbar ist, wenn jemand dagegen klagen würde«.

Denkbar ist auch, dass das Videomaterial von der Polizei benutzt wird, um Demonstrationen auf dem Jahnplatz auszuwerten. In jedem Fall werden Passanten, die nicht mit moBiel fahren wollen, so im öffentlichen Raum von den Kameras erfasst. Dies ist auch der Grund, warum die Überwachung Thema im Rat sein müsste. Schon vor der Anbringung der Kameras durch moBiel hatte es im Rat der Stadt eine Debatte über Kameras am Jahnplatz gegeben. Die Stadt sieht dort einen Kriminalitätsschwerpunkt und wollte videotechnisch überwachen. Nun hat moBiel das umgesetzt, was der Stadt nur in einer längeren parlamentarischen Auseinandersetzung und in Kooperation mit der Polizei möglich gewesen wäre.

Klaus Rees fragt auch, ob moBiel überhaupt über einen Datenschutzbeauftragten verfüge. Denn moBiel gibt an, wenn überhaupt mit den Kameras online zu sein, die Daten nicht zu speichern. Doch wer die Einhaltung dieser Angaben im Unternehmen überprüft, ist unbekannt. Man könne die Rechte der Büger nicht einfach beschneiden, nur weil Vandalismus auf dem Jahnplatz festgestellt worden sei. Rees macht Verdrängungseffekte aus: Der alte Friedhof an der Friedrich-Verleger-Straße nahe des Jahnplatzes sei nun privatisiert und bei Einbruch der Dunkelheit geschlossen. Dieser Aufenthaltsort falle nun weg: Ein Grund dafür, dass sich Teile der Szene auf dem Jahnplatz treffen. Gleiches gelte für den seit dem Frühjahr ebenfalls videoüberwachten Ravensberger Park. Dort verlagere sich das Geschehen in den hinteren Teil des Parks, also außer sichtweite der Kameras. Zudem würden die Kameras am Jahnplatz nur eine trügerische Sicherheit vermitteln. »Mit dem Einsatz von Personal bekäme man eventuelle Probleme besser in den Griff«, sagt Rees.