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Ins Blaue hinein (04.08.2004)





Picknick mit Politik: Der Bürgerpark wurde kurzzeitig boalisiert



Der Verein Blauschwung möchte mit kreativen Aktionen Bewegung in den politischen Diskurs bringen. Einen Anfang machte am vergangenen Sonntag ein Politpicknick im Bürgerpark.

Von Mario A. Sarcletti

Auf den ersten Blick unterscheidet sich die Gruppe vornehmlich junger Menschen kaum von den anderen, die am Sonntag den Sommer im Bürgerpark genießen. Sie ist mit fast dreißig Personen zwar überdurchschnittlich groß, auch die Zahl der vorhandenen Musikinstrumente übersteigt die normale Zahl. Vor allem aber ein Sonnenschirm zeigt, dass sich die Menschen unter dem großen Baum nicht nur versammelt haben um die Sonne zu genießen. An ihm hängen Plakate, die darauf hinweisen, dass hier das erste Bielefelder Politpicknick stattfindet.

Während die Musikgruppe »Walden« sanften Gitarrenpop erklingen lässt, hüpfen und schreien einige Mitglieder der Gruppe in einiger Entfernung: Die Boal-Gruppe der Universität wärmt sich für ihren Auftritt auf. Bevor sie loslegt, erklärt Mitorganisator Sebastian Fleary die Regeln für das Politpicknick, beziehungsweise, dass es eigentlich keine gibt. »Jeder, der etwas zum Thema machen will, kann sich entweder melden oder einfach anfangen«, teilt Fleary den Anwesenden mit. Das Thema an diesem Sonntag lautet »Mach dich frei«, Beiträge zum Themenkomplex Befreiung und Unterdrückung sind gefragt.

Die Methode des Forum-Theaters des Brasilianers Augusto Boal bietet sich dafür an, es ist auch als Theater der Unterdrückten bekannt. Es soll Mechanismen der Unterdrückung bewusst machen und helfen Lösungen für sie zu finden. Dabei ist das Publikum nicht passiv, vielmehr greift es aktiv ins Geschehen ein. »Also schaut genau hin und spitzt die Ohren«, fordert Toan Nguyen die Zuschauer auf. Er hat die Rolle des Jokers übernommen, der so etwas wie ein Spielleiter ist. Immer wieder hält er die Szenen an, fragt das Publikum nach seinen Wahrnehmungen und möglichen Lösungswegen für das dargestellte Problem. Das besteht aus drei Polizeibeamten, die willkürlich eine Routinekontrolle durchführen und die Cola-Flasche des Kontrollierten zur näheren Untersuchung beschlagnahmen.

Als der Joker die Szene unterbricht, wird die unterschiedliche Wahrnehmung der Zuschauer deutlich. Während eine Frau sagt, dass sie sich wegen des rüden Tons der Polizistendarsteller unwohl fühlen würde, versteht ein junger Mann nicht, »was der Aufstand soll.« »Wenn der Cop meine Tasche kontrollieren will, kann er da ruhig reinschauen«, sagt er. Bei ihm hat das »Argument« der falschen Polizisten offensichtlich gegriffen. »Ein unbescholtener Bürger hat nichts zu verbergen«, sagen die. »Das ist im allgemeinen Interesse, dass wir hier für Sicherheit und Ordnung sorgen«, begründen sie ihre Routinekontrolle.