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Ins Blaue hinein (Teil 2)





Unsichtbares Theater: Ein nur dezent verkleiderter junger Mann gibt sich als Polizist aus und kontrolliert die Taschen von Parkbesuchern


Ein Zuschauer sagt noch: »Meine Cola würde nicht ins Labor kommen«, im nächsten Moment findet er sich in der Szene wieder, soll zeigen, wie er seinen Widerstand umsetzt. Erst versucht er es, indem er auf einen Anwalt besteht, dann verweist er darauf, dass sein Vater Polizeipräsident sei, zum Schluss beleidigt er die Beamten. Wieder unterbricht Joker Toan Nguyen das Spiel. »Hat das etwas gebracht, haben sich die Strukturen verändert«, fragt er in die Runde, die das übereinstimmend verneint.

Ein anderer versucht die Situation mit Höflichkeit zu regeln. Es ist der junge Mann, der gerade noch nichts dabei fand, dass seine Tasche kontrolliert wird. Als die Polizeidarsteller diese immer ruppiger durchsuchen, bittet er darum, mit seinen Sachen sorgsamer umzugehen. Die Beamten ignorieren die Bitte. Als bei ihm auch noch ein Flugblatt beschlagnahmt wird, steht er ziemlich hilflos da. »Das hat auch nichts gebracht, weil er alleine bleibt«, finden die Zuschauer mit Unterstützung des Jokers heraus.

Die Idee einer Frau, alle Anwesenden aufzufordern, auf einer Untersuchung ihrer Flaschen zu bestehen, führt im Spiel zu einem fröhlichen Tohuwabohu, im wirklichen Leben wäre die Situation wohl eskaliert. Am erfolgreichsten ist die Strategie einer Teilnehmerin, konkret Passanten um Hilfe zu bitten. Deren Einsatz bringt die Beamtendarsteller ins Grübeln.

Die Aufführung der Boal-Gruppe ist beendet, die Diskussionen zum Thema gehen weiter. »Das ist das Beste, was uns passieren konnte«, freut sich Toan Nguyen über den Gesprächsbedarf der Zuschauer, die das Spiel tatsächlich aktiviert hat. Überhaupt sind die Organisatoren des Politpicknicks hochzufrieden. »Das läuft supergeil heute, es sind viele Leute hier, die nichts mit uns zu tun haben«, erklärt Sebastian Fleary. Er ist einer der Gründer des veranstaltenden Vereins Blauschwung e.V. »Wir wollen ein Dachverband für verschiedenste kreative gesellschaftsrelevante Projekte sein, ein Kollektiv, das sich gegenseitig unterstützt«, beschreibt Fleary den Zweck von Blauschwung.

Gegründet wurde der Verein von fünf Studierenden der Pädagogik, nachdem die EU-Förderung für das Projekt »Einblick – Perspektivwechsel zum Thema Rassismus und Ausgrenzung« ausgelaufen war, an dem sie teilnahmen. Mit Blauschwung wollen sie all denen ein Forum bieten, die »politisch was zu sagen haben, auch wenn sie keine tollen Floskeln haben«, formuliert Sebastian Fleary. »Wir glauben, dass jeder was zu sagen hat«, erklärt er. Aber nicht wirklich jeder soll bei Blauschwung mitmachen können. »Wir haben uns im Vorfeld schon auch überlegt, was wir machen, wenn da irgendwelche Rechten plötzlich was machen wollen«, merkt Fleary an. Gegen solche Vereinnahmungen haben sich die Blauschwüngler in die Satzung geschrieben, dass die Mitgliederversammlung auch den Ausschluss ungebetener Mitstreiter beschließen kann.

Wohin sich Blauschwung entwickelt, ist trotzdem offen. »Das ist auch Teil unseres Namens. Die Richtung ist nicht klar, es geht ins Blaue hinein«, nennt Fleary eine Begründung für den Vereinsnamen. »Auf jeden Fall soll Bewegung entstehen«, erklärt er den Schwung im Namen. In den Bürgerpark soll im September noch einmal Bewegung kommen, grundsätzlich kann sich Blauschwung aber auch vorstellen, einmal ein Picknick vor Rathaus oder Arbeitsamt zu veranstalten. Ob die Behörden ein Picknick dort genauso problemlos sehen, wie im Bürgerpark wird sich zeigen. »Das Ordnungsamt hat nur darum gebeten, dass wir keinen Müll hinterlassen«, sagt Sebastian Fleary. Andere politische Aktionen hatten in den vergangenen Monaten, wie etwa die antikapitalistische Demonstration am 30. April (Webwecker berichtete), mit größeren Problemen seitens der Behörden zu kämpfen.