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»eine grose schanse vertan« (18.08.2004)







Ein Kommentar von Manfred Horn

Nun ist sie zum wiederholten Mal entbrannt, die Debatte um die rechte Rechtschreibung. Seit mehr als 15 Jahren – 1987 beauftragte die Kultusministerkonferenz und das Bundesinnenministerium das ›Institut für Deutsche Sprache‹ in Mannheim, Vorschläge für die Rechtschreibreform zu erarbeiten – lässt der Streit nicht nach. Das Problem: Die 1998 in Kraft getretene Rechtschreibreform ist viel zu zaghaft ausgefallen.


Es gibt keinen Weg zurück

Heute sprechen sich viele LehrerInnen und SchülerInnen für die neue deutsche Rechtschreibung aus, gelernt ist gelernt. Doch noch hält sich hartnäckig die Fraktion derjenigen, die zurück will zur alten Rechtschreibung, gerade in Medien, Hochschul- und SchriftstellerInnenkreisen. Spiegel und Springer – welch historische Allianz – marschieren vereint, um der staatlich verordneten Legasthenie ein wohl verdientes beziehungsweise wohlverdientes Ende zu bereiten, wie die ›Frankfurter Rundschau‹ schreibt.

Dabei muss sich die Rechtschreibreform an ihrem praktischen Nutzen messen lassen: Bringt sie eigentlich Vorteile? »Tunfisch«, »in Grau«, »schwarz auf weiß«. Hingespinste einer Mafia, die sich vor Jahren in irgendwelchen Hinterzimmern zusammengerottet habe, um mit der deutschen Sprache gründlich aufzuräumen, wie Hans Magnus Enzensberger neulich in der ›Frankfurter Allgemeinen Zeitung‹ kundtat.

Tatsache ist: Die Reform ist längst nicht weit genug gegangen. Sie hätte die Schriftsprache einfacher machen müssen, hätte sich den Alltagsgewohnheiten der Menschen, sprich den häufigsten Fehlerstellen beim Schreiben, anpassen müssen. Doch die meisten Probleme sind geblieben. Wann kommt »das«, wann »dass«, was wird groß, was klein geschrieben, was auseinander und was zusammen? Hier wäre sprachlicher Pragmatismus angesagt gewesen, die verbindliche Einigung auf ein einfaches Schema. Doch dafür war den SprachwissenschaftlerInnen und KultusministerInnen die deutsche Sprache wohl zu heilig.


Von der englischen Sprache lernen

Ein Blick in die englische Sprache hätte da große Fortschritte gebracht: Die Großschreibung streichen, bis auf die Eigennamen, wäre ein wirklich vereinfachender Schritt gewesen. Das zugegeben schöne, aber unnütze ›ß‹ hätte auch gänzlich verschwinden sollen, ebenso wie die meisten Doppelkonsonanten. Wenn interessiert es schon, ob das ›Das‹ ein oder zwei s hat. Auch bei den Dehnungszeichen hätte die Schere angesetzt werden können, warum nicht einfach ›denungszeichen‹? Und warum nicht auch gleich ein paar Buchstaben rausschmeißen? Wer braucht es wirklich, das ›ä‹? Und die Frage zusammen oder getrennt hätte auch in die eine oder die andere Richtung beantwortet werden können: ›zusammen schreiben‹ oder eben ›zusammenschreiben‹.

Stattdessen läuft im Juli 2005 die gesetzlich gewährte Übergangsfrist ab, dann gilt verbindlich die neue deutsche Rechtschreibung. Eine große Chance, die deutsche Sprache moderner, internationaler zu machen, wurde vertan. Und bei der intensiven politischen Begleitmusik wird es wohl 50 Jahre dauern, bis jemand sich traut, das Wort Reform erneut in den Mund zu nehmen.