Massimiliano Andretta, Donatella della Porta, Lorenco Mosca, Herbert Reiter, »No global, new global. Identität und Strategien der Antiglobalisierungsbewegung«
»Wir, die europäischen sozialen Bewegungen, kämpfen für die sozialen Rechte und soziale Gerechtigkeit, für die Demokratie und gegen jede Form der Unterdrückung. Wir wollen eine Welt der Unterschiede, der Freiheit und des gegenseitigen Respekts. Wir glauben, dass dieser Krieg, sei er durch die UNO legitimiert oder nicht, eine Katastrophe sein wird,« so die gemeinsame Erklärung der GlobalisierungsgegnerInnen auf dem Europäischen Sozialforum in Florenz 2002. Offizielle Zahlen schätzten 450.000 DemonstrantInnen, die VeranstalterInnen sprachen von 800.000 Menschen, ein Beleg für die starke Mobilisierungsfähigkeit und politische Kraft der Bewegung. Doch wer sind die GlobalisierungskritikerInnen, wer trägt diese mittlerweile weltweite soziale Bewegung, die spätestens seit den Ereignissen in Genua aus der öffentlichen Wahrnehmung nicht mehr wegzudenken ist ? Was sind die Ziele, die Ideen, Methoden und konkreten Forderungen? Was meint eigentlich der Slogan Globalisierung von unten?
Die AutorInnen der sozialpolitischen Studie, die begrüßenswerterweise sehr aktuell ist, haben diese neue Bewegung genau und aufwendig analysiert. Während des G-8 Gipfels in Genua z.B. wurden 800 italienische DemonstrantInnen ausführlich zu ihren Bezügen, ihrer Motivation etc. befragt, es wurde Wert auf Repräsentativität gelegt. Ein wichtiges Ergebnis: die Bewegung konzentriere sich eher auf einen gemeinsamen Feind wie z.B. die Weltbank, die neoliberalen Wirtschaftskonzerne oder das politische establishment als auf eine gemeinsame Ideologie oder gar Identität. Es werde Wert auf mögliche Differenz gelegt und so fänden die unterschiedlichsten Gruppierungen oder Einzelpersonen einen Platz in der Bewegung: christlich motivierte Gruppierungen neben anarchistischen oder marxistischen, FeministInnen neben UmweltschützerInnen, StudentInnen und ArbeiterInnen, Angestellte und FreiberuflerInnen, Alte und Junge. »Die neuen sozialen Bewegungen der letzen Jahrzehnte sind nicht wie ihre Vorgängerinnen aus einer sozialen Klasse heraus entstanden, sondern haben sich auf der Basis politisch-moralischer Überzeugungen zu spezifischen Themen entwickelt (dem Frieden, der Umwelt, dem Kampf gegen die Mafia).« Auch die Aktionsformen der Gruppierungen sind sehr unterschiedlich. Funktionieren kann diese Vielfalt nur durch ein großes Maß an gegenseitigem Vertrauen und durch eine gut funktionierende netzwerkartige Struktur. Gerade die beständige Interaktion, der gemeinsame Austausch zwischen und in den diversen Netzwerken schafft eine Basis für das nötige Vertrauen. Als Medium bietet sich das Internet an und wird entsprechend genutzt.