Ende Januar schickten die »Initiativen für ein lebenswertes Bielefeld« den bei den Kommunalwahlen um die Macht in der Stadt kämpfenden Parteien und der Wählergemeinschaft Bürgernähe einen Fragenkatalog zu kommunalen Themen und baten um Antwort. (WebWecker berichtete). Von den im Rat vertretenen Parteien entsprach nur Bündnis 90/Grüne der Bitte. Dass »Bürgernähe« antworten würde war nicht nur wegen des Namens absehbar. Schließlich entstand auch die neue Wählergemeinschaft im Umfeld der BürgerinitiativenVon Mario A. Sarcletti»Ich finde es bedenklich, dass die Parteien die Frechheit haben, Fragen der Bürger links liegen zu lassen. Das ist eigentlich ein Skandal«, poltert Gert Henrici. Seine Studierenden an der Universität kennen den Professor als besonnenen, freundlichen Menschen. Aber bei der Pressekonferenz in der vergangenen Woche zeigt Henrici, dass er auch anders kann. Immer wieder überkommt das Mitglied der »Initiativen für ein lebenswertes Bielefeld«, die seit zwei Monaten unter dem Kürzel ILBI auftreten, der Ärger darüber, dass die Parteien auf die »Wahlprüfsteine« der Vereinigung von Bielefelder Bürgerinitiativen zum Teil nicht einmal reagiert haben.
Bei der Pressekonferenz sollten eigentlich die Antworten der Wahlkämpfer auf Fragen der Bürgerinitiativen vorgestellt werden. Da nur Bündnis90/Grüne und die »Bürgernähe Wählergemeinschaft für Bielefeld« (BWB) auf die Wahlprüfsteine antworteten, waren vor allem die Nichtantworten Thema des Pressegesprächs. »Der Kontakt zu Bürgern wird nur bei Wahlen gesucht, sodass sie Entscheidungen hilflos gegenüber stehen«, klagt Henrici. »Dass sie nicht antworten, zeigt die Ignoranz der Parteien gegenüber dem Wahlvolk«, ergänzt Christian Janßen von der Gruppe aktiver Fahrradfahrer und Fußgänger (GAFF) die Kritik an der Politik.
Dabei hat gerade er auch schon mal andere Erfahrungen mit der Kommunalpolitik gemacht. »Unser Fachwissen war im Rathaus immer wieder mal gefragt, es gab gute Kontakte zu allen Parteien«, sagt er. So habe die GAFF ihre Kompetenz zum Beispiel bei der Frage von Radfahrstreifen eingebracht. Auch andere Initiativen seien fachlich sehr fundiert, erklärt er. »Aber in dieser Legislaturperiode sind die Mitwirkungsmöglichkeiten der Bürger eingeschränkt worden«, bedauert er und nennt als Beispiel die Abschaffung des Verkehrsbeirates, in dem Vertreter von Kommune, Verbänden und Wirtschaft vertreten waren. Janßen droht: »Wir werden dieses Fachwissen auch weiter anbieten«.
Ein Grund dafür, dass die meisten Parteien die Wahlprüfsteine nicht beantwortet haben, ist, dass einige Mitglieder von Bürgerinitiativen bei der Kommunalwahl für die BWB kandidieren. »Aber es gibt bei ILBI auch Leute, die mit anderen Parteien sympathisieren, das ist ja nicht verboten«, wundert sich Gert Henrici über die Haltung der Kommunalpolitiker.
Ein anderes Motiv für die Verweigerungshaltung der Parteien vermutet Jörg Schaaber, einer der Sprecher von ILBI: »Ein Grund kann auch eine taktische Entscheidung sein, dass man andere Positionen hat und das nicht öffentlich machen will«, glaubt das Mitglied mehrerer Bürgerinitiativen. So hätten sich Politiker von CDU und FDP öffentlich und nicht-öffentlich für umstrittene Straßenbauprojekte wie B66n und B61n eingesetzt. Die SPD habe auf Anfrage mitgeteilt, dass sie das Wahlprogramm schicken würde. Nicht einmal das sei aber passiert, großen Wert hatte ILBi darauf aber auch nicht gelegt. »Das entsprach nicht unserem Wunsch, weil wir konkrete Antworten auf konkrete Fragen wollten«, erklärt Jörg Schaaber.