Gert Henrici sieht in der Verweigerung der Antworten auch die Angst der Parteien davor, konkret zu werden »Das zeigt auch die verbreitete Strategie konkrete Antworten zu vermeiden und sich in Allgemeinplätze zu flüchten«, vermutet der Professor im Unruhestand. Er entdeckt noch eine weitere Taktik der politisch Verantwortlichen: »Die Vertröstung der Bürger, das scheint ein Element politischen Handelns zu sein«. Als Beispiel nennt das Mitglied der Bürgerinitiative CONTRA Untersee die Diskussion um die Entschlammung des Obersees in Schildesche. Ursprünglich wurde 2004 als Termin genannt, nach derzeitiger Planung wird sie frühestens 2006 beginnen. »Das kann nicht im Interesse der Bürger sein, die Klarheit haben wollen«, findet Gert Henrici.
Jörg Schaaber gibt die Hoffnung nicht auf, dass doch noch eine Antwort von den Parteien kommt. »Ich hoffe, dass sich das noch vor der Wahl ändert, damit den Bürgern eine Entscheidung ermöglicht wird«, so Schaaber. Tatsächlich könnten die Wahlprüfsteine hilfreich für die Entscheidung in der Wahlkabine sein, betreffen sie doch viele Themen, die für die zukünftige Entwicklung Bielefelds wichtig sind. Da geht es um Verkehrsplanung ebenso wie um Stadtentwicklung oder den Erhalt von Bildungseinrichtungen.
Die Antworten von Bündnis 90/Grüne und Bürgernähe weisen dabei sowohl viele Übereinstimmungen zueinander als auch mit Positionen des Bürgerinitiativenverbundes auf. Alle fordern den Ausbau des Stadtbahnnetzes nach Theesen und Heepen, Verringerung des PKW-Verkehrs in der Innenstadt und wenden sich gegen den Ausbau des Flugplatzes Windelsbleiche. Die Forderung nach einem städtebaulichen Gesamtkonzept ist ebenso Konsens wie die nach einem für den Normalbürger verständlichen Haushaltsplan oder die Unterstützung der Forderung des deutschen Städtetages nach Tempo 30 in den Innenstädten.
An ihr demonstriert Christian Janssen, dass die Forderungen der Initiativen der Stadt sogar helfen würden Geld zu sparen: »Während jetzt viele teure Verkehrsschilder für Tempo 30 Zonen aufgestellt werden, bräuchte man dann nur noch welche an den Einfallsstraßen«, kalkuliert Janßen. Bielefeld wäre auch prädestiniert für eine solche Maßnahme: Laut Weltgesundheitsorganisation WHO zieht jeder zusätzliche Stundenkilometer Durchschnittsgeschwindigkeit ein Prozent mehr Verkehrstote nach sich. Das kann sich die Teutostadt eigentlich nicht leisten: Nach einer Aufstellung der dpa liegt Bielefeld mit 9,1 Toten pro 100.000 gemeldeten KFZ bundesweit an Platz 2 dieser Statistik, in Stuttgart sind es nur 2,3.
ILBI will die Aktion Wahlprüfsteine trotz mangelnder Antworten nicht einstampfen. Die Antworten bzw. Nichtantworten sollen am Bürgerturm präsentiert werden, den der Initiativenverbund an jedem ersten Samstag im Monat auf dem Jahnplatz aufstellt. Außerdem hoffen die initiativen Bürger auf Medienöffentlichkeit. »Wir haben die Ergebnisse einhundert prominenten Bielefelderinnen und Bielefeldern zukommen lassen mit der Bitte, sie zu kommentieren und das öffentlich zu tun«, beschreibt Gert Henrici die weitere Strategie. Außerdem soll weiter über Leserbriefe zur Meinungsbildung der Bürger beigetragen werden. »Das sind Mosaiksteinchen, da muss man auch einen langen Atem haben und kann dann was erreichen«, glaubt Henrici. Außerdem plant ILBI eine Informationsveranstaltung vor den Wahlen. »Ich weiß nicht, ob dann auch nur zwei Parteien kommen«, sagt Jörg Schaaber. Der Wähler würde dann wohl seine Schlüsse ziehen.
Die Anworten der Parteien als als PDF-Dokument .
Die Antworten auf die Wahlprüfsteine sind auch am Bürgerturm auf dem Jahnplatz einsehbar: nächste Termine sind jeweils samstags am 3. Juli, 7. August, 4. September, jeweils 11 Uhr