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Gabriele Rollnik, Daniel Dubbe, »Keine Angst vor niemand. Über die Siebziger, die Bewegung 2.Juni und die RAF«



Titel: Gabriele Rollnik, Daniel Dubbe, »Keine Angst vor niemand. Über die Siebziger, die Bewegung 2.Juni und die RAF«

„Diese fünfzehn Jahre Knast sind mir aufgezwungen worden. Als ich angefangen habe zu kämpfen, war mir schon klar, entweder ich werde sterben oder ich werde ganz lange in den Knast kommen. (...) die Bedingungen waren extrem, ich habe aber etwas dagegen gemacht, dagegen gekämpft, und das hat mich aufrecht erhalten. (...) Und dann bin ich rausgekommen, und da habe ich erst gemerkt: fünfzehn Jahre! Das ist eine riesenlange Zeit. In diesen fünfzehn Jahren haben andere Kinder bekommen und tausend Sachen gemacht. Trotzdem denke ich, ja gut, das war meine Entscheidung und so hatte ich es gewollt. Und das stimmt schon: Ich kann`s ja nicht ändern. Aber ich muß auch sagen: ich habe es zu keinem Zeitpunkt meines Lebens bereut. Mir ging es darum, nach meiner Überzeugung zu handeln und so war es...
Du hättest auch als Hausfrau mit zwei Kindern in Dortmund leben können.
Nein, Hausfrau nie. So war`s, bei allen Fehlern doch besser.“

Nach Inge Vietts Autobiographie „Nie war ich furchtloser“ oder dem Interview Dubbes mit Thorwald Proll „Wir kamen von einem anderen Stern. Über 1968, Andreas Baader und ein Kaufhaus“ veröffentlicht die Edition Nautilus mit „Keine Angst vor niemand“ einen weiteren Band, in dem linke, deutsche Geschichte bearbeitet, bzw. aufgearbeitet wird. Auch nach der Auflösung der RAF oder der RZ ist dieses Kapitel noch aktuell, deutlich sichtbar an den Inhaftierten wie Eva Haule Frimpong (seit 18 Jahren in Haft) und Birgit Hogefeld (seit 11 Jahren in Haft) oder der Aufregung um die geplante RAF-Ausstellung in Berlin. Allerdings erscheint angesichts der scheinbar politischen Alternativlosigkeit der derzeitigen bundesrepublikanischen Verhältnisse eine solche Entschlossenheit zum Kampf, auch zum bewaffneten, gepaart mit der Hoffnung auf eine menschliche Alternative zur kapitalistischen Durchdringung des Alltag fast schon unwirklich.
Gabriele Rollnik, geboren 1942, die heute in Hamburg lebt und 1992 nach fünfzehn Jahren Haft aus dem Gefängnis entlassen wurde, beschreibt ehrlich, so weit sich das beurteilen lässt, ihren Weg von der Tochter aus behütetem Beamtenelternhaus zur illegalen Militanten der Bewegung 2.Juni. Der 2.Juni wählte als Namensgeber den Tag, an dem 1967 der Student Benno Ohnesorg in Westberlin während einer Demonstration durch die Polizei erschossen wurde. Bekanntere Aktionen der zeitgleich mit der RAF gegründeten Gruppe waren die Lorenz-Entführung, ,durch die fünf Gefangene freigepresst werden konnten und bewaffnete Banküberfälle, die zur Finanzierung der Illegalität und des bewaffneten Kampfes dienten. Das Verteilen von Schokoküssen während der Überfalls diente zur Deeskalation und nährte u.a. den Mythos von der „Spaßguerilla“, der aus der Linken mit Sympathie begegnet wurde, letztlich auch aufgrund der politischen Vermittlung der eigenen Aktionen zurück in die linke Szene. Mitte der 70er Jahre und endgültig mit dem heißen Herbst 1977 begann die Niederlage der Linksradikalen und auch das Ende der Bewegung 2.Juni. Aufgrund inhaltlicher Brüche schlossen sich die restlichen Gruppenmitglieder entweder der RAF oder den RZ an.