»The Day After Tomorrow«Von Harald Manninga
Gerade erst hat Wolfgang Petersen seinen letzten Katastrophenfilm abgeliefert, da kommt ihm Kollege und Landsmann Roland Emmerich mit noch einem hinterher. Und selten war die Bezeichnung »Katastrophenfilm« so passend!
Aufgrund der globalen Erwärmung bricht am Nordpol ein riesiger Eisklotz aus dem eben doch nicht ewigen Eis und schneidet dem Nordatlantischen Strom den Weg ab. Folge: Das Klimagefüge der Erde gerät binnen einiger Tage so komplett durcheinander, dass die gesamte Nordhalbkugel der Erde in Eis und Unwetter versinkt. Prima Filmidee ja eigentlich. Aber...
In einer Bibliothek im vereisten New York bleiben ein paar Eingeschneite am Leben und versuchen, sich gegenseitig zu wärmen. Zum Beispiel indem sie Bücher verfeuern, denn sonst ist ja nichts mehr da! Nur die Gutenberg-Bibel bitte nicht, die man bei der Suche nach Verfeuerbarem auch findet. Was fürs Herz ist also auch dabei, sogar ein obdachloser Schwarzer und dessen Hund namens Buddha. Und dann ist da noch Vaters Suche nach dem Sohn: Sohn Sam steckt nämlich genau in dieser Bibliothek mit fest und rettet, wen er nur kann. Was Vaddern mehr ahnt als weiß, aber macht nix, was ein echter Vater ist, macht sich eben in Los Angeles trotzdem auf den Weg quer über den Kontinent. Und ab Philadelphia dann auch zu Fuß bis nach New York, weil das Auto auf halber Strecke eben doch in Schnee und Eis stecken bleibt, wie vor ihm schon alle andern Autos, Züge und was der Verkehrsmittel mehr sind.
Moment mal: »Nordatlantischer Strom«? Ja, tatsächlich. Denn nur der Laie nennt das einfach »Golfstrom«, die im diesbezüglichen Fachjargon richtige Bezeichnung ist »Nordatlantischer Strom«. Hamwer also was gelernt. Aber woher kommt einem das alles nochmal bekannt vor...? Wann hat zuletzt ein Vater seinen Sohn gesucht, und wie hieß der Strom nochmal, in dem die Schildkröten rumgesurft sind...?
Ernsthaft: Einen so kompletten Blödsinn hat sich selbst Emmerich bisher nicht geleistet, auch nicht in seiner computergenerierten Reanimation eines Godzilla, der mit seinem legendären japanischen Vorbild nur die Dämlichkeit der Story gemein hatte, aber nichts mehr vom altbackenen Charme oder gar Aussehen des wahren Godzilla. Und diese Nachahmung von »Findet Nemo« ist auch nicht besser.
Es ist natürlich der gesamte Fundus an Katastrophenfilm-Klischees irgendwie beteiligt, angefangen beim Wissenschaftler, der irgendwelche zuständigen Stellen warnen will und zum Maßnahmenergreifen animieren. Was die natürlich kalt lächelnd als komplette Spinnerei eines Grünen-Aktivisten abtun, und überhaupt: Was ist mit der Wirtschaft?! So kommts, wie es kommen muss, Europa liegt meterdick unter Eis, New York ertrinkt erst im Atlantik und vereist dann auch, in Neu Delhi schneits, und Tornados wirbeln über Kalifornien, wobei sie gar den berühmten Schriftzug komplett von den Hollywood Hills rupfen. Also dramatischer und beziehungsreicher gehts ja kaum. Platter ebenfalls nicht.
Und das bei diesem Thema! Was hätte daraus für ein Film werden können! Einer mit Anspruch, mit Botschaft, mit Tiefgang, mit Drängen auf politische und persönliche Konsequenzen. Vielleicht gar einer, der Diskussionen (wenigstens das) auslöst: Dass sowas nämlich auch geht, hat ja kürzlich erst Mel Gibson mit seiner »Passion Christi« gezeigt, und sogar mit einem ähnlich bekloppten Film. Nix is. Oder wenigstens einer mit einer schönen, guten Geschichte! Auch nicht.
Der Fairness halber seis gesagt: Natürlich sind die Bilder ziemlich phantastisch! So wie man sie von Emmerich kennt, eindrucksvoll, fulminant, epochal, grandios! Wirklich! Das ist wieder mal toll gemacht worden.