Es ist unbekannt, wie viele Juden im nationalsozialistischen Machtbereich durch die Solidarität, durch den Einsatz von nichtjüdischen Mitbürgern gerettet wurden....Die Geschichte der Geretteten und ihrer Retter besteht vor allem aus einzelnen Schicksalen. Sie steht jeweils für sich allein. Die Historie der Hilfe für Juden ist deshalb eine Geschichte einzelner Menschen. Wolfgang Benz, Herausgeber des Bandes Überleben im Dritten Reich ist Professor für Geschichte an der Technischen Universität und Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung. Seit 1997 wird dort eine Datenbank aufgebaut, in der Informationen über untergetauchte Jüdinnen und Juden, ihre Helfer und deren Rettungsbemühungen gesammelt und analysiert werden.
Sechs Millionen jüdische Menschen wurden im Holocaust ermordet, einige 10.000 überlebten. Schätzungen gehen davon aus, das zwischen 10.000 bis 15.000 Juden und Jüdinnen im nationalsozialistischen Deutschland untertauchten, um der Deportation, dem Tod zu entgehen. Etwa 3000 bis 5000 dieser Menschen überlebten das Kriegsende, allein 1500 in Berlin. Ohne Unterstützung wäre das sicherlich nicht möglich gewesen.
Die schillernde Persönlichkeit Oscar Schindlers ist durch den Spielberg-Kinofilm einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden, doch wer kennt Donata und Eberhard Helmrich, die zuerst nur einen wichtigen Koffer für ein paar Tage aufbewahrten. In der Folge halfen sie FreundInnen bei der Ausreise, besorgten notwendige Visa oder Bürgen. Sie brachten Verfolgte kurzfristig in der eigenen Wohnung unter. Später, als Eberhard Helmrich zivil im Generalgouvernement in Polen arbeitet, entwickelten sie eine Fluchtlinie speziell für junge jüdische Frauen, die sie ins Herz der Bestie, nach Berlin, als Arbeitskräfte vermittelten. Wer kennt den Hauswart Otto Jogmin, das Retternetzwerk Onkel Emil oder Maria Pfürtner. Wer hat etwas gehört über die geleistete Unterstützung des Druckereibesitzers Theodor Görners oder von den FluchthelferInnen Luise Meier und Josef Höfler, um nur einige der bislang unbekannten HelferInnen zu nennen , die in diesem Band vorgestellt werden. Die Autorinnen des vorliegenden Bandes versuchten zu ergründen, wer diese Menschen waren, die sich entgegen dem mainstream zur Hilfe für Verfolgte entschieden und welche Motive ihrem Handeln zugrunde lagen.
Ein Ergebnis: Die UnterstützerInnen waren äußerst unterschiedlich. Es lässt sich keine zugrundeliegende Gemeinsamkeit erkennen, die sie zu ihren oft mutigen Entscheidungen prädestinierte. Sie kamen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten, sie waren religiös oder atheistisch, politisch widerständig motiviert, humanistisch eingestellt oder unpolitisch. Sie kannten ihre Schützlinge oder halfen gänzlich Unbekannten. Ihre Motive waren vielfältig und nicht immer uneigennützig. Wo ist die Grenze zu ziehen, ob es moralisch einwandfrei war, von Untergetauchten Geld für Lebensmittel, Miete oder sonstiges zu verlangen? Wie ist es zu bewerten, wenn als Gegenleistung Gefälligkeiten, harte Arbeit, religiöse Umorientierung oder Sex erwartet wurden? Das bleiben offene Fragen.