Nach dem Willen der Bundes-SPD sollen einige wenige Eliteuniversitäten den Hochschul- und Wirtschaftsstandort Deutschland voranbringen. Bildungsexperten kritisieren die Vorschläge. Am gestrigen Mittwoch diskutierten drei von ihnen über dieses und andere bildungspolitische Themen.Von Mario A. SarclettiSowohl Podium als auch Publikum waren hochkarätig besetzt bei einer Veranstaltung des »Wissenschaftsforums der Sozialdemokratie in OWL« am 24. Februar in der IHK Bielefeld. Schulministerin Ute Schäfer, Detlef Müller-Böhling vom Bertelsmann Think-Tank für Bildungsfragen CHE und der Darmstädter Soziologieprofessor Michael Hartmann wollten über die Frage »Breitenbildung und Elitenförderung zwei Seiten einer Medaille? « diskutieren, Uniprofessoren, hochrangige Medienvertreter und Nachwuchswissenschaftler wollten hören, was die drei zu sagen haben.
Die meisten Anwesenden waren sich einig in der Ablehnung der SPD Pläne, die die Etablierung von einigen Elitehochschulen vorsehen. »Ich bin mit Ihnen einer Meinung, dass es nicht darum gehen kann eine Eliteuniversiät oder fünf Eliteuniversitäten herauszusuchen. Das ist absoluter Quatsch«, brachte Detlef Müller-Böhling die vorherrschende Meinung auf den Punkt. Vielmehr gehe es darum, die Spitzen, die es an verschiedenen Hochschulen bereits gebe, zu fördern.
Vor allem Michael Hartmann widmete sich der Frage, was unter Elite zu verstehen ist. »Eliten sind keine Leistungseliten. Wer dazu gehört, ist abhängig von der sozialen Herkunft«, stellte der Soziologe fest. So kämen etwa 50 Prozent der Professoren aus den oberen 3 bis 5 Prozent der Gesellschaft, in Harvard oder Princeton stamme der überwiegende Anteil der Studierenden aus der Oberschicht. Hartmann forderte das Gegenteil von Elitebildung, nämlich Gleichheit: »Der Zugang zur Bildung darf nicht von der sozialen Herkunft abhängen«. Dies gelte nicht nur für die Hochschulen. »Die Dreigliedrigkeit des Schulsystems ist eine Katastrophe«, hielt er ein Plädoyer für die Gesamtschule. Die skandinavischen Länder, die beim PISA-Test am besten abschnitten, hätten die Differenzierung wie in Deutschland schließlich auch nicht.
Für mehr Differenzierung im Bildungssystem sprach sich dagegen Detlef Müller-Böhling aus und lobte die SPD für das Anstoßen der Debatte: »Ich war nicht überrascht, ich war beglückt von der SPD, dass die nach so langen Jahren dazu kommt zu sagen, wir brauchen Differenzierung in unserem Hochschulsystem.« Das bisherige Paradigma der Gleichheit sei falsch gewesen, so der Leiter des Centrums für Hochschulentwicklung.
Müller-Böhling nutzte die Diskussion dazu die bekannten Forderungen des CHE vorzubringen: Einführung von Studiengebühren, Abschaffung der ZVS, die Hochschulen sollen sich die Studierenden selbst aussuchen. Michael Hartmann hielt diesen Vorschlägen entgegen, dass die »Auswahlverfahren an den US-Unis wie eine Versteigerung« funktionierten. In Auswahlgesprächen würden eben genau die Dinge abgefragt, die Bewerber aus unteren Schichten seltener aufwiesen, wie etwa Auslandsaufenthalte.
Zudem häten Kinder aus der Oberschicht eher das entsprechend selbstbewusste Auftreten bei den Gesprächen. Studiengebühren würden zudem zu einem Rückzug des Staates aus der Hochschulfinanzierung führen. Zudem würden Gebührenzahler Studienfächer bevorzugen, die nach dem Abschluss hohe Verdienstmöglichkeiten böten. »Studiert wird das, was Geld bringt, nämlich Jura, Wirtschaft, Medizin.« Sozial- und geisteswissenschaftliche Fächer seien weit weniger interessant. Aber auch in den Naturwissenschaften hätten die US-Eliteunis Nachwuchsprobleme, der wissenschaftliche Nachwuchs müsste weltweit eingekauft werden. »In Harvard studiert kein einziger US-amerikanischer Jugendlicher Physik«, beschrieb er die Auswirkungen der hohen Studiengebühren.