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Studentisches Salz in der Harmoniesuppe (03.03.2004)



Für die Leitung der Universität Bielefeld war der Abschluss der Veranstaltungsreihe »Hochschulstadt Bielefeld 2003« ein Grund zu feiern. Der Allgemeine Studierenden Ausschuss AStA nutzte die Veranstaltung dagegen zur Kritik am Rektorat

Von Mario A. Sarcletti

»Endlich streut mal jemand Salz in diese Harmoniesuppe«, freute sich ein Besucher des Sektempfanges von Rektorat und Bielefeld Marketing am vergangenen Sonntag über die Studierendenvertreter, die Flugblätter verteilten. Zudem hatte der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) die Unihalle mit verschiedenen Plakaten dekoriert. »Antisemitismus?«, »Maushaus« oder »Romanistik« konnten die Gäste des Sektempfangs zum Abschluss der Veranstaltungsreihe »Hochschulstadt Bielefeld 2003« da lesen. Ein Transparent grüßte den Rektor der Universität: »Der Untertan war immer schon deutsch. Hallo Herr Timmermann!«

»Wir haben da ein paar wichtige Punkte aus dem vergangenen Jahr thematisiert, die das Rektorat unter den Teppich kehren wollte«, erklärt der AStA-Vorsitzende Stefan Bröhl die Aktion. Unter anderem kritisieren die Studierendenvertreter das Verhalten der Hochschulleitung in der Affäre um das Buch »Jüdischer Bolschewismus – Mythos und Realität« des Uni-Bibliothekars Johannes Rogalla von Bieberstein, dem Antisemitismus vorgeworfen wird. (WebWecker berichtete)»Statt sich von antisemitischen Tendenzen klar und öffentlich zu distanzieren, wird an dieser Universität versucht, das »Saubermann-Image« in der Öffentlichkeit unter allen Umständen zu bewahren«, heißt es auf einem Flugblatt.

Weitere Kritikpunkte für die Studierendenvertreter sind die Streichung der Romanistik im Rahmen des Hochschulkonzepts 2010 und die Eröffnung des so genannten »Maushauses«, einem neu errichteten Gebäude, in dem Mäuse für Tierversuche gehalten werden. »Tierexperimente sind fragwürdig, aber auch noch ein millionenschweres Haus errichten um einen(!) Lehrenden zu behalten«, ist für den AStA der »Höhepunkt eines Skandals, der ein nur allzu fragwürdiges Licht auf diese Uni wirft«.

In der Diskussion um die zum kommenden Sommersemester eingeführten Studiengebühren für so genannte Langzeitstudierende empfiehlt der AStA das Rektorat zu beurlauben. Denn das lehnt eine großzügige Regelung zur Beurlaubung von Studierenden ab, bei der diese keine Gebühren bezahlen müssen, Urlaubssemester werden auch nicht auf das Studienkonto angerechnet. Der Senat und die Kommission für Studium und Lehre hatten beschlossen, dass Studierende bei wirtschaftlicher Notlage zur »Geldbeschaffung« beurlaubt werden sollten, das Rektorat lehnte dies aus rechtlichen Gründen ab. Auch freiwillige Auslandssemester oder Praktika sind nach der neuen Einschreibeordnung der Universität kein Grund für eine Beurlaubung. »Wessen Interessen vertritt das Rektorat? Die der (noch) über 19.000 Studierenden der Uni oder die des Landes?« fragen die Studierendenvertreter.

»Die Reaktionen der Besucher waren überwiegend positiv«, so der AStA-Referent für Hochschulpolitik Phillipe Wagner. Das Rektorat nahm die Aktion gelassen. »Als ich dem Rektor den Flyer mit dem Titel »Rektorat beurlauben« überreichte, hat der gegrinst«, so Wagner. Ein Zeichen dieser Gelassenheit ist wohl auch, dass die Transparente in der Uni-Halle bis heute nicht entfernt wurden.