Direkt, aber bitte nicht zu sehr (07.01.2004)
Von Manfred HornMehr Demokratie. Volksentscheide sind hier eine Möglichkeit. In Bielefeld könnte 2004 ein Bürgerbegehren gegen das geplante Cross-Border-Leasing-Geschäft zu Stande kommen, bei dem das gesamte Netz der Stadtbahn verleast werden soll. Wenn nicht die Stadt aus finanzrechtlichen Gründen, nämlich wenn sich die Steuergesetzgebung in den USA ändern sollte, von sich aus einen Rückzieher macht. Und auch nur dann, wenn sich genügend BürgerInnen Bielefelds zusammenfinden, um ein Bürgerbegehren zu starten.Die direkte Demokratie ist zwar auf dem Vormarsch, dennoch existieren nach wie vor hohe Hürden: Der Verein ›Mehr Demokratie‹ hat jetzt eine Studie vorgelegt, in der der Zustand der direkten Demokratie in den 16 Bundesländern dargelegt wird. Die direkte Demokratie würde den politischen Wettbewerb wieder in Schwung bringen, heißt es da: »Abseits von Machtspielen und den Einflüsterungen der Lobbyisten könnten die reformbereiten Bürger direkt Gesetze verabschieden«. Das große Vorbild ist die kleine Schweiz, wo Bürgervoten – im Gegensatz zum Wahlrecht für Frauen – seit langem Tradition sind.
In Deutschland gibt es auf Bundesebene keine Bürgervoten oder ähnliches. Doch in allen 16 Bundesländern finden sich inzwischen Regelungen – lediglich der Stadtstaat Berlin kennt noch keinen Bürgerentscheid. Doch der Verein ›Mehr Demokratie‹ sieht auch noch viele Fehler: Nur in den wenigsten Fällen würden die Verfahren das Versprechen nach mehr Bürgerbeteiligung einlösen: »Bürger, die sich des Volksbegehrens bedien, werden regelmäßig durch hohe Quoren und bürokratische Hindernisse ernüchtert«.
In einem Ranking fasste der Verein jetzt den Zustand der direkten Demokratie in den Bundesländern zusammen. Gewertet wurden dabei die Möglichkeiten zur direkten Demokratie auf Landes- und Kommunalebene. Auf Platz 1 befindet sich Bayern mit der Note 2,45, auf Platz 4 folgt NRW mit der Note 3,65.
Bis September 2003 starteten BürgerInnen in allen Bundesländern 151 Volksbegehren und 27 Volkspetitionen auf Landesebene, die allerdings lediglich zur Behandlung eines Themas im Landtag führen. Die meisten Begehren wurden in den vergangenen zehn Jahren gestartet. Doch lediglich zehn Volksbegehren mündeten bisher in einem Volksentscheid. Zugleich wurde der Inhalt etwa jeder sechsten Initiative bereits im Vorfeld ins Parlament übernommen, ein Volksentscheid konnte somit entfallen.
Auf kommunaler Ebene heißt die Sprachregelung nicht Volksbegehren, sondern Bürgerbegehren. Zur Zeit werden in den circa 14.000 deutschen Kommunen pro Jahr 250 Bürgerbegehren eingeleitet, es finden daraus resultierend 120 Bürgerentscheide statt.
Für NRW konstatiert der Verein ›Mehr Demokratie‹ eine »erfreuliche Entwicklung in den letzten Jahren«. Einstimmig reformierte der Landtag im März 2002 die Volksgesetzgebung. Doch noch immer liegt das Quorum beim Volksbegehen mit acht Prozent – vorher waren es 20 Prozent – hoch, die Eintragungsfrist beträgt lediglich acht Wochen. Zu wenig, meint der Verein ›Mehr Demokratie‹. Für eine Fehlkonstruktion hält der Verein die neu eingeführte ›Volkspetition‹, die bei einer Hürde von 65.000 Unterschriften »ein teures und ineffizientes Amtseintragsverfahren« vorsehe. Auf kommunaler Ebene in NRW sei die Entwicklung ebenfalls positiv, wenn auch 20 Prozent Zustimmung aller Wahlberechtigten bei einem Bürgerentscheid eine »schwierige Hürde« sei.