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»Der Irak hat bereits zu 90 bis 95 Prozent abgerüstet« (26.02.2003)



Angelika Claußen

Claußen: Saddam Hussein wird durch die Sanktionen nicht bestraft





Angelika Claußen, Bielefelder Psychotherapeutin und Vorsitzende der deutschen Sektion des IPPNW, war im Januar im Irak. Sie sah ein Land mit hungrigen Menschen und schlechter medizinischer Versorgung. Sie fordert, dass die Sanktionen gegen die irakische Bevölkerung aufgehoben werden müssen.





Interview: Manfred Horn


Wie ist der Stand der Sanktionen gegen den Irak?

Von 1991 bis 1996 hat es einen totalen Boykott des Irak gegeben. 1996 ist das Nahrungsmittel-für -Öl-Programm in Kraft getreten.Alle Im- und Exporte gehen über die UN. Der Erlös des Ölverkaufs geht auf ein UN-Sperrkonto. Davon werden nach Kontrolle durch das Sanktionskomitee die Waren –Nahrungsmittel, Medikamente und andere humanitäre Güter geliefert. Dann gab es im letzten Sommer noch einmal eine gewisse Erleichterung, um insbesondere humanitäre Güter in den Irak zu bekommen. In der Tat hat sich aber kaum etwas geändert, weil der Weg, wie damit umgegangen wird, natürlich der gleiche ist. Wenn das Sanktionskomiteetee sagt: Dual Use – also eventuell auch militärisch nutzbar – dann kann der Irak die Güter nicht importieren.


Es gibt nichts, was der Irak ohne Kontrolle einführen kann? Also auch keine Nahrungsmittel und auch keine Medikamente?

Nein, es wird alles kontrolliert. Und das führt dazu, dass sich eben auch bei ganz normalen Dingen die Sendungen enorm verzögern. Oft trifft das auf Medikamente zu. Dann gibt es eine zeitlang ein bestimmtes Medikament, welches die Krankenhäuser brauchen. Dann gibt es das Medikament drei Monate wieder nicht. Zur Zeit werden humanitäre Güter im Wert von fünf Millionen Dollar blockiert.


Dieses Sanktionskomitee ist offensichtlich die zentrale Instanz...

Ja, die kriegen alles immer vorgelegt. Und da sitzen die Vertreter des Sicherheitsrates, also jeweils ein Ländervertreter. In der Ablehnung tun sich nun USA und Großbritannien besonders hervor.


Darf denn der Irak inzwischen wieder unbegrenzt Öl exportieren?

Nein, das ist nicht möglich, weil die Ölförderungsanlagen des Irak infolge der letzten beiden Kriege und der zwölf Jahre anhaltenden Sanktionen in technisch marodem Zustand sind, also nur begrenzte Kapazitäten besitzen. Dann gibt es noch einen illegalen Export an den Sanktionen vorbei nach Jordanien und über den Nordirak in die Türkei. Die jeweiligen Länder verdienen dabei mit.
Das Geld, welches der Irak für den Ölexport bekommt, geht zu 25 Prozent als Kompensation an Kuwait und die Türkei, 15 Prozent an Irakisch-Kurdistan,einige Prozent ist für die ganzen UN-Einrichtungen, die dort vor Ort arbeiten bestimmt, und der Rest – zwischen 50 – 60 Prozent – ist für die irakische Bevölkerung.


Worauf zielen die seit zwölf Jahren bestehenden Sanktionen eigentlich? Man könnte meinen, die Grundidee des Embargos ist, der irakischen Bevölkerung die Überlebensmittel zu kürzen, damit sie dann Saddam Hussein stürzen...

So ist die Idee dahinter, dass sagt aber keiner offen. Es hat ja ansonsten keinen Sinn, ein Volk zwölf Jahre lang mit Sanktionen zu bestrafen. Saddam Hussein wird sicher nicht bestraft, der lebt weiter gut. Bestraft wurden die Unschuldigen, das irakische Volk, insbesondere die Kinder, die Mütter, die Alten und Kranken.