»Der Irak hat bereits zu 90 bis 95 Prozent abgerüstet« (Teil 2)
Sie waren Mitte Januar im Irak. Haben sie mitbekommt wen die Sanktionen treffen und wie sie sich konkret auswirken?Die Sanktionen treffen wirklich hauptsächlich das Volk. Dass konnten wir sehr gut sehen, wir haben mehrere Krankenhäuser besucht, zwei Kinderkliniken und ein psychiatrisches Krankenhaus. Die Kollegen in den Krankenhäusern dort berichteten, dass sie unter Not an ganz normalen Medikamenten leiden. Und dass deshalb eine kontinuierliche Behandlung nicht möglich ist. Verheerend wirkt sich das bei denaus bei den Kindern aus. Sie sterben an banalen Durchfall- und Atemwegserkrankungen und an Leukämie sowie Krebs. Der Irak hat nach dem letzten Golfkrieg wohl eine der höchsten Raten an Kinderleukämien und Kinderkrebsen. Die Ursache dafür ist nicht genau bekannt, die irakischen Ärzte machen die Urangeschosse dafür verantwortlich, die damals seitens der USA und Großbritanniens im Krieg viel benutzt wurden. 300 Tonnen Geschosse mit abgereichertem Uran wurden abgeworfen, sie liegen immer noch offen herum. Viele Kinderkrebse kann man mit Chemotherapie recht gut behandeln, auch Kinderleukämien, die sind dann mit 80 bis 90 Prozent zu heilen. Die Kinder im Irak aber sterben, weil eben die notwendigen Medikamente nicht vorhanden sind.
Ein anderes Medikament, das dort fehlt, ist eine Art Antibiotikum gegen eine Parasitenerkrankung, Kala Azar,die typischerweise in Armutsgegenden auftritt und unbehandelt zum Tode führt.. Gegen diese Krankheit hat eine englische Firma ein Medikament. Die Firma heißt Glaxo. Und eine österreichische Ärztin, die in Basra ein Hilfsprojekt für die Kinderklinik unterhält, hat nun versucht, bei der Firma Glaxo das Medikament zu bestellen. Als die Firma hörte, dass es in den Irak sollte, sagte ihr Vertreter, man könne das Medikament nicht liefern, dass würde unter die Sanktionen fallen. Daraufhin hat sich Frau Dr. Hobinger erkundigt und festgestellt, dass es eben nicht unter die Sanktionen fällt und hat dann weiterverhandelt. Bis heute ist Glaxo nicht bereit, das betreffende Medikament Pentostam auszuliefern.
Und ist wie ist die Versorgungssituation mit Nahrungsmitteln der irakischen Bevölkerung?Es ist nicht viel zu verteilen. Über das Nahrungsmittel-für-Öl Programm wird eine Art Brotkorb verteilt. Das sind Trockennahrungsmittel, die einmal im Monat an bestimmten Stellen verteilt werden. Die herrschende Baath-Partei kontrolliert, dass wirklich alle ihre Ration abholen. Etwa zwei Drittel der Bevölkerung hat als einzige Einnahmequelle nur diesen Brotkorb. Da sind Öl, Linsen, Zucker, Mehl und Bohnen drin. Wenn eine Familie eine Lampe kaufen will oder eine Apfelsine, dann muss sie ihr Mehl verkaufen. Es ist wirklich erschütternd. Die Kinder gehen nicht mehr regelmäßig in die Schule. Die Kinderarbeit hat zugenommen, weil sie mitverdienen müssen. Die Lehrer geben ihren Unterricht nicht mehr vollständig, weil sie so wenig Monatslohn bekommen, dass sie davon einfach nicht leben können. Der Irak war wegen des Öls ein reiches Land. Da hat ein Lehrer 1000 Dollar im Monat verdient. Jetzt verdient er seit Jahren fünf bis zehn Dollar im Monat.