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Wundertüte für Unternehmer (Kommentar; 08.10.2003)



Ein Kommentar von Manfred Horn

Die Modellregion war am Dienstag Abend Thema in der Fernsehsendung ›Lokalzeit OWL‹ des WDR. Als besonderes Highlight war Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement aus Berlin zugeschaltet. Der kennt Ostwestfalen ein bisschen, schließlich war er bis 2002 Ministerpräsident in NRW. Sein Statement beinhaltete wenig Konkretes: Aus Ostwestfalen komme immer Spannendes und Gutes, sagte er. Und: Er glaube nicht, dass eine 24-Stunden Ladenöffnung möglich sei, schließlich habe man erst vor kurzem die Ladenöffnungszeiten ausgeweitet. Dies formulierte er mit offensichtlichem Bedauern und sprach noch vom Erlebnis Einkaufen. Der WDR-Moderatorin schaffte es, nicht eine einzige kritische Frage zu stellen. Auch ein Film-Einspieler demonstrierte lediglich beispielhaft, was alles ab 2004 in OWL abgebaut werden könnte. Den Gipfel der Einfältigkeit erreichte die Moderatorin, als sie ernsthaft behauptete: »OWL wartet auf die Modellregion«. Ganz, als ob die Lokalzeit Ostwestfalen repräsentieren würde.

Jenseits der sprachlichen Identifikationsschleifen von Medien, die sich kurzerhand zur Repräsentationsinstanz an sich völlig heterogener Menschenmassen, die mehr oder weniger zufällig in einer Region wohnen, erklären, bleiben im Kern zwei Kritikpunkte an dem Projekt Modellregion: Die veröffentlichen Vorschläge und die Verfahrensweise.

Bürokratieabbau ist in einigen Bereichen sicherlich ein erstrebenswertes Ziel, die Grundidee begrüßenswert. Verwaltung kann an einigen Stellen schneller und effektiver werden. Verwaltungsvorgänge sollten sich aber nicht nur für die Wirtschaft, sondern auch für die BürgerInnen vereinfachen – oder anders: im Gleichgewicht verändern. Denn Bürokratieabbau der Wirtschaft bedeutet eben nicht Bürokratieabbau für ArbeitnehmerInnen, sondern dort Abbau von Rechten. Die BürgerInnen kommen in der Modellregion überhaupt nur sehr indirekt vor: Als eventuelle Profiteure von mehr Wachstum und Beschäftigung durch Wegfall oder Vereinfachung von Vorschriften für die Wirtschaft. Wenn die OWL-Marketing in ihrer Umfrage 2.000 Unternehmen und 1.500 MitarbeiterInnen aus Verwaltungen befragte, so ist dies sicherlich nicht repräsentativ. Anders und ein bisschen böse gefragt: Wie heißt den der Unternehmer, der in Zukunft sein Firmengelände statt mit 35 Meter Abstand direkt an den Wald bauen will? Einige der 35 Vorschläge ähneln doch sehr einer Wundertüte für Unternehmer. Hinzukommt, dass die Vorschläge eine eigenartige Gemengelage abbilden: Sie sind eben nicht nur Vorschläge für eine Entbürokratisierung, sie formulieren auch neue soziale, arbeitsweltliche und ökologische Standards in speziell ausgewählten Bereichen. Diese neuen, schlechteren Standards haben aber in einem Programm für Bürokratieabbau wahrlich nichts zu suchen.

Weder wurde ein repräsentativer Querschnitt der Bevölkerung befragt noch wurde das Selektionsprinzip, immerhin gab es 171 Vorschläge, die dann auf 35 veröffentliche reduziert wurden, irgendwie transparent gemacht. Kritik also am Modus, wie diese 35 Vorschläge zusammengekommen sind. Demokratie und Bürgerbeteiligung werden immer mal wieder hochgehalten. Doch wo ist hier die demokratische Auseinandersetzung, der Diskurs um Veränderungen in der Region?