Webwecker Bielefeld: Flüchtlingspolitischer Aufruf fordert Bleiberecht (27.09.2006)

Flüchtlingspolitischer Aufruf fordert Bleiberecht (27.09.2006)



Gertrud Heinemann (DRK), Ahmeti Azem und Udo Halama (Sozialpfarrer) verbindet die Forderung nach einem sicheren Bleiberecht für Geduldete



Von  Manfred Horn

Ahmeti Azem ist einer von vielen: Der 21-jährige Kosovo-Albaner lebt seit seinem siebten Lebensjahr in Bielefeld – und möchte gerne hier bleiben. Was so selbstverständlich klingt, ist ein harter Weg. Denn Azem ist in der Bundesrepublik nur geduldet, genauer gesagt: Seine Abschiebung ist lediglich ausgesetzt.

Azem fühlt sich nach eigener Aussage als Deutscher, mit seinem Herkunftsland verbindet er nicht viel. Er ist in Bielefeld zur Schule gegangen, hat einen Hauptschulabschluss in der Tasche. Seitdem ist er zum Nichtstun verdammt. Er bekommt als Geduldeter keine Arbeitserlaubnis. Auch eine Ausbildung kann er nicht beginnen: Wer stellt schon einen Lehrling ein, der in einem halben Jahr abgeschoben werden könnte?

Azem ist eigentlich gut integriert, wenn man die üblichen Maßstäbe anlegt. Er hat ein Kind mit einer deutschen Frau. Heiraten will er jedoch nicht. Den Unterhalt kann er nicht zahlen, er bekommt nur 175 Euro Sozialhilfe. Das Jugendamt will 127 davon, eine Unmöglichkeit.


Innenminister sind sich nicht einig

Als die alte rot-grüne Bundesregierung mit viel Tam-Tam das Zuwanderungsgesetz verabschiedete, sollte sich auch endlich etwas für die rund 200.000 Menschen ändern, die seit vielen Jahren vom Staat nur geduldet werden und damit ohne sichere Aufenthaltsperspektive leben, ändern. Getan hat sich bisher nicht viel. Immerhin scheint die Innenministerkonferenz nun bemüht, eine Lösung zu finden. Die Positionen liegen aber offenbar selbst innerhalb der CDU weit auseinander. Ein Konsens der Innenminister könnte sein, dass alle, die länger als sechs Jahre in Deutschland leben, bleiben dürfen. Doch die Details der Regelung würde aus dem »Alle« ein »Manche« machen. Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) gesteht ein Bleiberecht allein Familien mit schulpflichtigen Kindern oder mit integrierten Nachkommen zu. Alleinstehende oder ältere Migranten würden ausreisen müssen.

Eine weitere Hürde könnte sein, dass Geduldete eine Arbeitsstelle vorweisen müssen. Ein Paradox, denn in der Regel dürfen Geduldete überhaupt nicht arbeiten. Dennoch sieht Beate Niemeyer, Ratsfrau der Linkspartei und Mitinitiatorin des Flüchtlingspolitischen Aufrufs, Bewegung: »Der Druck kommt von unten, aber auch von oben«. Die Europäische Union mache Druck, denn der dauerhafte Status eines Geduldeten widerspräche der Europäischen Menschenrechtskonvention, sagt Niemeyer.

Den Druck von unten will nun der Flüchtlingspolitische Aufruf verstärken und bündeln. Bis Ende Oktober wollen die Initiatoren in Bielefeld Unterschriften sammeln, um Kettenduldungen ein Ende zu machen. Alleine in Bielefeld gibt es 1.000 Menschen mit Duldungs-Status. Die Unterschriften sollen dann passend vor der nächsten Innenministerkonferenz an diese übergeben werden. Zu den Erstunterzeichnern des Aufrufs gehören vor allem Kirchenkreise und Flüchtlingsinitiativen aus OWL. Kirchen und Flüchtlingsintiativen kennen die Bedingungen, unter denen Geduldete seit vielen Jahren leben müssen. Sie fordern mit dem Aufruf nun ein eine Bleiberechtsregelung für Alleinstehende, die seit fünf Jahren, und Familien mit Kindern, die seit drei Jahren in Deutschland leben.

Beendigung der Illegalität

Die Forderungen des Aufrufs gehen aber noch darüber hinaus: Mehr Flüchtlinge sollen Asyl bekommen. Im Moment sind es nicht einmal zwei Prozent derjenigen, die in die Bundesrepublik einreisen. Viele werden lediglich geduldet, viele gleich wieder abgeschoben. Andere werden in die Illegalität gezwungen. Mehr als Million Menschen leben so in der Verborgenheit, mehrere Tausend davon in Ostwestfalen, schätzt Udo Halama, Sozialpfarrer des evangelischen Kirchenkreises. Ein Kurde, der nicht anerkannt wurde, befindet sich in Bielefeld im Kirchenasyl. Die Kirche bietet solchen Menschen dann, quasi im halblegalen Raum, Schutz vor Abschiebung. Die Kirche hat dafür extra eine kleine Wohnung eingerichtet. Flüchtlinge würden dann ins Kirchenasyl aufgenommen, wenn es eine reelle Chance auf die Wiederaufnahme des Asylverfahrens gebe, erläutert Halama. Für mehr als eine Familie hat aber auch die Kirche keinen Platz. Der Flüchtlingspolitische Aufruf fordert nun, dass »illegalisierte MigrantInnen die Möglichkeit eines legalen Aufenthalts« bekommen sollen.

Die Kirche will den Aufruf bis Ende Oktober unter anderem in Messen bekannt machen. Die ›12 Minuten mit Gott‹, die wochentags täglich um 17.30 Uhr in der Altstädter Nicolai-Kirche stattfinden, sind so in dieser Woche ganz unter den Aufruf gestellt. In den Andachten wird auf die Situation von Flüchtlingen aufmerksam gemacht. Wer unterschreiben will, kann sich aber auch an Flüchtlingshilfsorganisationen richten, etwa an die Flüchtlingsberatung des Deutschen Roten Kreuzes, August-Bebel-Straße 8 in der oder an den Flüchtlingsrat im IBZ an der Teutoburger Straße.

 

Mehr Informationen im Netz über eine ähnliche Kampagne im Münsterland: www.bleiberecht.net