Von Manfred Horn
Ahmeti Azem ist einer von vielen: Der 21-jährige
Kosovo-Albaner lebt seit seinem siebten Lebensjahr in Bielefeld und möchte
gerne hier bleiben. Was so selbstverständlich klingt, ist ein harter Weg. Denn
Azem ist in der Bundesrepublik nur geduldet, genauer gesagt: Seine Abschiebung
ist lediglich ausgesetzt.
Azem fühlt sich nach eigener Aussage als Deutscher, mit
seinem Herkunftsland verbindet er nicht viel. Er ist in Bielefeld zur Schule
gegangen, hat einen Hauptschulabschluss in der Tasche. Seitdem ist er zum
Nichtstun verdammt. Er bekommt als Geduldeter keine Arbeitserlaubnis. Auch eine
Ausbildung kann er nicht beginnen: Wer stellt schon einen Lehrling ein, der in
einem halben Jahr abgeschoben werden könnte?
Azem ist eigentlich gut integriert, wenn man die üblichen
Maßstäbe anlegt. Er hat ein Kind mit einer deutschen Frau. Heiraten will er jedoch nicht. Den Unterhalt kann
er nicht zahlen, er bekommt nur 175 Euro Sozialhilfe. Das Jugendamt will 127
davon, eine Unmöglichkeit.
Innenminister sind sich nicht einig
Als die alte rot-grüne Bundesregierung mit viel Tam-Tam das
Zuwanderungsgesetz verabschiedete, sollte sich auch endlich etwas für die rund
200.000 Menschen ändern, die seit vielen Jahren vom Staat nur geduldet werden
und damit ohne sichere Aufenthaltsperspektive leben, ändern. Getan hat sich
bisher nicht viel. Immerhin scheint die Innenministerkonferenz nun bemüht, eine
Lösung zu finden. Die Positionen liegen aber offenbar selbst innerhalb der CDU
weit auseinander. Ein Konsens der Innenminister könnte sein, dass alle, die
länger als sechs Jahre in Deutschland leben, bleiben dürfen. Doch die Details
der Regelung würde aus dem »Alle« ein »Manche« machen. Niedersachsens
Innenminister Uwe Schünemann (CDU) gesteht ein Bleiberecht allein Familien mit
schulpflichtigen Kindern oder mit integrierten Nachkommen zu. Alleinstehende
oder ältere Migranten würden ausreisen müssen.
Eine weitere Hürde könnte sein, dass Geduldete eine
Arbeitsstelle vorweisen müssen. Ein Paradox, denn in der Regel dürfen Geduldete
überhaupt nicht arbeiten. Dennoch sieht Beate Niemeyer, Ratsfrau der
Linkspartei und Mitinitiatorin des Flüchtlingspolitischen Aufrufs, Bewegung:
»Der Druck kommt von unten, aber auch von oben«. Die Europäische Union mache
Druck, denn der dauerhafte Status eines Geduldeten widerspräche der
Europäischen Menschenrechtskonvention, sagt Niemeyer.
Den Druck von unten will nun der Flüchtlingspolitische
Aufruf verstärken und bündeln. Bis Ende Oktober wollen die Initiatoren in
Bielefeld Unterschriften sammeln, um Kettenduldungen ein Ende zu machen.
Alleine in Bielefeld gibt es 1.000 Menschen mit Duldungs-Status. Die
Unterschriften sollen dann passend vor der nächsten Innenministerkonferenz an
diese übergeben werden. Zu den Erstunterzeichnern des Aufrufs gehören vor allem
Kirchenkreise und Flüchtlingsinitiativen aus OWL. Kirchen und
Flüchtlingsintiativen kennen die Bedingungen, unter denen Geduldete seit vielen
Jahren leben müssen. Sie fordern mit dem Aufruf nun ein eine
Bleiberechtsregelung für Alleinstehende, die seit fünf Jahren, und Familien mit
Kindern, die seit drei Jahren in Deutschland leben.
Beendigung der Illegalität
Die Forderungen des Aufrufs gehen aber noch darüber hinaus:
Mehr Flüchtlinge sollen Asyl bekommen. Im Moment sind es nicht einmal zwei
Prozent derjenigen, die in die Bundesrepublik einreisen. Viele werden lediglich
geduldet, viele gleich wieder abgeschoben. Andere werden in die Illegalität
gezwungen. Mehr als Million Menschen leben so in der Verborgenheit, mehrere
Tausend davon in Ostwestfalen, schätzt Udo Halama, Sozialpfarrer des
evangelischen Kirchenkreises. Ein Kurde, der nicht anerkannt wurde, befindet
sich in Bielefeld im Kirchenasyl. Die Kirche bietet solchen Menschen dann,
quasi im halblegalen Raum, Schutz vor Abschiebung. Die Kirche hat dafür extra
eine kleine Wohnung eingerichtet. Flüchtlinge würden dann ins Kirchenasyl
aufgenommen, wenn es eine reelle Chance auf die Wiederaufnahme des
Asylverfahrens gebe, erläutert Halama. Für mehr als eine Familie hat aber auch
die Kirche keinen Platz. Der Flüchtlingspolitische Aufruf fordert nun, dass
»illegalisierte MigrantInnen die Möglichkeit eines legalen Aufenthalts«
bekommen sollen.
Die Kirche will den Aufruf bis Ende Oktober unter anderem in
Messen bekannt machen. Die 12 Minuten mit Gott, die wochentags täglich um
17.30 Uhr in der Altstädter Nicolai-Kirche stattfinden, sind so in dieser Woche
ganz unter den Aufruf gestellt. In den Andachten wird auf die Situation von
Flüchtlingen aufmerksam gemacht. Wer unterschreiben will, kann sich aber auch
an Flüchtlingshilfsorganisationen richten, etwa an die Flüchtlingsberatung des
Deutschen Roten Kreuzes, August-Bebel-Straße 8 in der oder an den
Flüchtlingsrat im IBZ an der Teutoburger Straße.
Mehr Informationen im Netz über eine ähnliche Kampagne im
Münsterland: www.bleiberecht.net