Ende August wurde ein studentisches Mitglied der Universitätskommission von Polizeibeamten zur erkennungsdienstlichen Behandlung abgeholt Ihm wird unter anderem vorgeworfen, in den abgesperrten Rektoratsflügel eingedrungen zu sein (WebWecker berichtete). Jetzt hat sich der Betroffene zu Wort gemeldet
Von
Mario A. Sarcletti
Ein böses Erwachen, im wahrsten Sinne des Wortes, gab es für
Stefan T. (Name geändert) an einem Morgen Ende August. »Ich wurde morgens um 9
Uhr aus dem Bett geklingelt und ein Herr stellte sich direkt vor, dass er von
der Polizei sei und mich zur ED-Behandlung abholt«, beschreibt der Student die
Ereignisse an jenem Morgen. T. wurde zum Polizeipräsidium gebracht und
fotografiert. Außerdem wurden seine Fingerabdrücke genommen und seine Narben
und Tätowierungen festgehalten.
Die Beamten hätten ihm »schweren Hausfriedensbruch«
vorgeworfen berichtet T. Er sei während der Senatsentscheidung am 12. Juli
durch ein offenes Fenster in das Rektorat eingedrungen, am Fensterbrett seien
Fingerabdrücke gesichert worden, sei die Begründung für die Maßnahme gewesen.
»Das ist schwachsinnig, weil ich als Mitglied der Zentralen Kommission für
Studium und Lehre ohnehin Zutritt zur Senatssitzung hatte. Man hat mich da
gesehen und erkannt, von daher verstehe ich gar nicht, warum ich
erkennungsdienstlich behandelt wurde«, erklärt T. in einer Stellungnahme, die
dem WebWecker vorliegt.
Sein Anwalt hat auch Zweifel daran, dass es bei den
Ermittlungen um den angeblichen Hausfriedensbruch geht. »Was ihm konkret
vorgeworfen wird, wissen wir bis jetzt noch nicht, weil wir bisher keine
Akteneinsicht bekommen haben. Es ist nur bekannt, dass im Gesamtzusammenhang
»Abhandenkommen des Schlüssels« ermittelt wird und den Straftaten im
Zusammenhang mit der Einführung von Studiengebühren«, sagt Rechtsanwalt Henning
Kuhlmann. Er wundert sich auch etwas darüber, dass der Beschuldigte nicht zu
einer erkennungsdienstlichen Behandlung vorgeladen, sondern dazu abgeholt
wurde. »In diesem konkreten Fall besteht Anlass zu der Vermutung, dass die
Beamten der Polizei die Hoffnung hatten, durch einen Überraschungsbesuch am
frühen Morgen den Beschuldigten zu spontanen Äußerungen hinzureißen«, erklärt
der Anwalt.
Ständige Anspielungen auf den Schlüssel
Für diese Vermutung sprechen Äußerungen des Beamten, der
Stefan T. zur Behandlung abholte. »Als ich meinen Schlüssel holen wollte,
meinte er, ich sollte doch auch gleich den Generalschlüssel mitbringen«,
berichtet T. Und immer wieder seien Anspielungen auf einen Brand gefallen. »Er
meinte, ob es denn bei mir im Zimmer nach Feuer riechen würde«, erinnert sich
T. Sein Anwalt berichtet zudem, dass die Polizeibeamten den fallenden
Benzinpreis erwähnten, als sie an einer Tankstelle vorbeigefahren seien. In der
Universität hatte es nach der Gebührenentscheidung mehrere Brandstiftungen
gegeben, außerdem brannte der PKW von Rektor Dieter Timmermann aus.
Rechtsanwalt Kuhlmann hat den Verdacht, »dass hier ein
Gesamttatkomplex ermittelt wird«. Das habe ihm auch die Staatsanwaltschaft
bestätigt. »Das kann auch bedeuten, dass hier eine Zusammenhangstat im Rahmen
einer kriminellen Vereinigung ermittelt wird«, befürchtet Kuhlmann und
beschreibt die Folgen einer solchen Ermittlungstaktik: »Die Möglichkeiten der
Ermittlungen sind natürlich in einem Fall, in dem höhere Kriminalität ermittelt
wird, also einer kriminellen Vereinigung, die irgendeinem Verbund von Gegnern
der Studiengebühren angelastet wird, entsprechend höher«. Auch
Telefonüberwachungen wären in einem solchen Fall möglich.
Der Staatsschutz wollte sich zum Vorwurf der
Kriminalisierung der Gebührengegner, die auch der AStA der Universität erhebt,
nicht äußern. Auf Anfrage erklärte der Leiter des Staatsschutzes, Dirk
Butenuth: »Zu den Vorwürfen des AStA habe ich öffentlich Stellung genommen,
nachzulesen in der NW vom 02.09.2006«. In dem Artikel, der eine angebliche
heiße Spur suggerierte, erklärte Butenuth auch, dass man bei einer
Hausdurchsuchung den Generalschlüssel der Uni nicht gefunden, damit allerdings
nicht gerechnet habe.
Der Anwalt des Mannes, dessen Wohnung in seiner Abwesenheit
durchsucht wurde, staunt über diese Aussage des Staatsschutzchefs: »Aus
anwaltlicher Sicht kann so eine Begründung natürlich nur verwundern, denn der
Hintergrund einer Hausdurchsuchung ist konkret das Auffinden von
Beweismitteln«, erklärt Sebastian Nickel und macht sich seinen eigenen Reim auf
die Ermittlungen: »Man kann daraus nur schließen, dass es bei der Durchsuchung
um andere Gegenstände gegangen ist, möglicherweise auch nur um eine pauschale
Ausforschung von Kontakten und Umfeld«. Das bestätigte auch indirekt Dirk
Butenuth gegenüber der Neuen Westfälischen. »Derzeit werde noch der bei der
Durchsuchung sichergestellte PC des Verdächtigen untersucht«, sagte er der
Zeitung. Dass man in dem Computer den Generalschlüssel der Universität zu
finden hofft, ist eher unwahrscheinlich.