Webwecker Bielefeld: Ende der Diskussion (13.09.2006)

Ende der Diskussion (13.09.2006)



 

Seit vergangenem Donnerstag ist das Diskussionsforum zu Studiengebühren auf der Homepage der Universität Bielefeld geschlossen. Als Grund gibt das Rektorat an, dass es in den vergangenen »wiederholt zu Beleidigungen und verbalen Attacken gegen Einzelpersonen gekommen« sei. Außerdem sei es nur noch selten zu Diskussionen über Studiengebühren gekommen, nur wenige Personen hätten sich daran beteiligt, teilte die Unileitung mit.

Das Diskussionsforum war als Folge der Rektoratsbesetzung im Februar eröffnet worden. Damit sollte »eine breite universitätsinterne Diskussion zum Thema Studienbeiträge« eröffnet werden, wie das Rektorat bei der Eröffnung des Forums verlauten ließ. Damals hieß es auch, dass dort gepostete Beleidigungen gelöscht würden.

Jetzt können Gebührengegner ihre Argumente nur noch auf der Seite der ehemaligen Rektoratsbesetzer darstellen (besetzung.kollima.de), ein Diskussionsforum gibt es da aber noch nicht. Dafür ist dort eine Stellungnahme zur Schließung des Forums nachzulesen, in der die Vermutung geäußert wird, dass das gestiegene Medieninteresse an den Forumsinhalten Grund für die Schließung sei. »Nun hat das Rektorat mal wieder vollzogen, was es erfahrungsgemäß am besten kann: Ausschluß der Öffentlichkeit, Verhinderung von Diskussionen, ausgrenzende Politik im stillen Kämmerlein«, heißt es weiter.



Halle des Himmlischen Friedens

Zur Schließung des Uni-Diskussionsforums zum Thema Studiengebühren ein Eintrag von Mario A. Sarcletti

Systeme, die die Demokratie nicht für das beste aller Gesellschaftsmodelle halten, haben ja so ihre Probleme mit dem Internet. In China etwa existiert für die Suchmaschine Google der Begriff Falun Gong nicht, unliebsame Webseiten werden von den Machthabern im Reich der Mitte einfach dicht gemacht.

Dicht gemacht haben jetzt auch die Machthaber an der Universität Bielefeld das Diskussionsforum zum Thema Studiengebühren. Ist die Universität deshalb ein undemokratisches System? Als System kann man die Hochschule nach Niklas Luhmann wohl begreifen. Aber undemokratisch? Wohl kaum. Immerhin begründen die Großen Vorsitzenden der Universität ja sogar ihr Vorgehen, was ihr fernöstliches Pendant nicht nötig hat.

Nur wenige Personen hätten sich zuletzt an der Diskussion beteiligt, heißt es unter anderem. Nun gut, auch in den anderen, nicht geschlossenen Diskussionsforen – ja, die gibt es – herrschte nicht gerade eine Diskussionskultur, wie man sie aus den Zeiten der Gründung der Reformuni kennt. Dabei geht es da um so brisante Themen »Marketing an der Uni Bielefeld«, zu dem es in vier Jahren 46 Beiträge gab, oder »Schlüsselqualifikation und Berufsorientierung«, das in zwei Jahre immerhin eine Nutzerin anzog. Aber das sind eben zeitlos wichtige Fragen, was sind schon »Studiengebühren« verglichen mit solchen unverzichtbaren Krachern?

Zugegeben, auch die Funktionäre aus dem Rektorat und andere Gebührenbefürworter hielten sich mit Einträgen in dem Forum zurück, das sie nach eigenem Bekunden einrichteten, um »eine breite universitätsinterne Diskussion« zum Thema zu ermöglichen. Aber gerade diese noble Zurückhaltung zeigt doch die demokratische Reife der Hochschulleitung. Sie wollte Diskutanten einfach nicht durch ihre geballte bildungspolitische Kompetenz einschüchtern.

Ihre demokratische Haltung bewiesen die Großen Vorsitzenden auch dadurch, dass der Moderator des  Forums kaum in die Diskussion eingriff. Dumm natürlich, dass einige Nasen sich dann nicht an die Netiquette hielten und es zu verbalen Attacken gegen einzelne Teilnehmer kam. Jetzt ist das nämlich ein weiterer Grund, das Forum zu schließen und die zig Einträge darin aus dem Netz zu nehmen. Solche Beleidigungen verschwinden eben nur, wenn alle Beiträge aus dem Internet genommen werden.

Auch die dritte Begründung für die Schließung des Forums, es hätten »breitere politische Diskussionen« stattgefunden, macht Sinn. Schließlich haben Studiengebühren nichts mit der Besteuerung von Unternehmensgewinnen zu tun. Und schon gar nicht mit dem Thema, das noch kurz vor Schließung des Forums auf die Agenda gesetzt wurde. Da ging es um die Selektivität des deutschen Bildungssystems.

Also kann von einem Demokratiedefizit auf Seiten des Rektorats keine Rede sein. Schließlich haben die Großen Vorsitzenden auch nicht den Zugriff von Unirechnern auf die Internetseiten von Gebührengegnern wie dem Aktionsbündnis gegen Studiengebühren gesperrt. Und die Unihalle nicht in Halle des Himmlischen Friedens umbenannt. Auch wenn die, nach Entfernung der meisten Anschlagbretter und Litfasssäulen, ein bisschen danach aussieht. Aber da ging es den Verantwortlichen ja um Ästhetik, und nicht um das Einschränken von Kommunikation. Die »Zettelflut« soll eingedämmt werden, die ja schon fast zu »anarchistischen Zuständen« führte, wie Heike Piehler, für das »Ästhetische Zentrum« an der Hallenumgestaltung beteiligt, diese Zustände in der Halle gegenüber dem Webwecker einmal treffend beschrieb. Und anarchistische Zustände und eine demokratische Diskussionskultur vertragen sich nun mal nicht.

Und vielleicht ist die Löschung des Forums ja sogar eine fein geplante Studieneinheit zum Thema Demokratie nach Art des »Unsichtbaren Theaters« von Augusto Boal. Vielleicht sollen die Studierenden ja auf subtile Art merken, was ihnen das geplante »Hochschulfreiheitsgesetz« bringt. Nämlich eine Stärkung der Großen Vorsitzenden. Hoffentlich kapieren das auch diejenigen, die das Forum nicht als Placebo für die Rektoratsbesetzer gesehen, sondern als Diskussionsangebot ernst genommen haben. Denn, wenn die ihre Wut über die Studiengebühren nicht mehr herausschrei(b)en können, könnten sie einen dicken Hals bekommen. Und irgendwann explodieren.