Seit vergangenem Donnerstag ist das Diskussionsforum zu
Studiengebühren auf der Homepage der Universität Bielefeld geschlossen. Als
Grund gibt das Rektorat an, dass es in den vergangenen »wiederholt zu
Beleidigungen und verbalen Attacken gegen Einzelpersonen gekommen« sei.
Außerdem sei es nur noch selten zu Diskussionen über Studiengebühren gekommen,
nur wenige Personen hätten sich daran beteiligt, teilte die Unileitung mit.
Das Diskussionsforum war als Folge der Rektoratsbesetzung im
Februar eröffnet worden. Damit sollte »eine breite universitätsinterne
Diskussion zum Thema Studienbeiträge« eröffnet werden, wie das Rektorat bei der
Eröffnung des Forums verlauten ließ. Damals hieß es auch, dass dort gepostete
Beleidigungen gelöscht würden.
Jetzt können Gebührengegner ihre Argumente nur noch auf der Seite der ehemaligen Rektoratsbesetzer darstellen (besetzung.kollima.de), ein Diskussionsforum
gibt es da aber noch nicht. Dafür ist dort eine Stellungnahme zur Schließung
des Forums nachzulesen, in der die Vermutung geäußert wird, dass das gestiegene
Medieninteresse an den Forumsinhalten Grund für die Schließung sei. »Nun hat
das Rektorat mal wieder vollzogen, was es erfahrungsgemäß am besten kann:
Ausschluß der Öffentlichkeit, Verhinderung von Diskussionen, ausgrenzende
Politik im stillen Kämmerlein«, heißt es weiter.
Halle des Himmlischen Friedens
Zur Schließung des Uni-Diskussionsforums zum Thema
Studiengebühren ein Eintrag von Mario A. Sarcletti
Systeme, die die Demokratie nicht für das beste aller
Gesellschaftsmodelle halten, haben ja so ihre Probleme mit dem Internet. In
China etwa existiert für die Suchmaschine Google der Begriff Falun Gong nicht,
unliebsame Webseiten werden von den Machthabern im Reich der Mitte einfach
dicht gemacht.
Dicht gemacht haben jetzt auch die Machthaber an der
Universität Bielefeld das Diskussionsforum zum Thema Studiengebühren. Ist die
Universität deshalb ein undemokratisches System? Als System kann man die
Hochschule nach Niklas Luhmann wohl begreifen. Aber undemokratisch? Wohl kaum.
Immerhin begründen die Großen Vorsitzenden der Universität ja sogar ihr
Vorgehen, was ihr fernöstliches Pendant nicht nötig hat.
Nur wenige Personen hätten sich zuletzt an der Diskussion
beteiligt, heißt es unter anderem. Nun gut, auch in den anderen, nicht
geschlossenen Diskussionsforen ja, die gibt es herrschte nicht gerade eine
Diskussionskultur, wie man sie aus den Zeiten der Gründung der Reformuni kennt.
Dabei geht es da um so brisante Themen »Marketing an der Uni Bielefeld«, zu dem
es in vier Jahren 46 Beiträge gab, oder »Schlüsselqualifikation und
Berufsorientierung«, das in zwei Jahre immerhin eine Nutzerin anzog. Aber das
sind eben zeitlos wichtige Fragen, was sind schon »Studiengebühren« verglichen
mit solchen unverzichtbaren Krachern?
Zugegeben, auch die Funktionäre aus dem Rektorat und andere
Gebührenbefürworter hielten sich mit Einträgen in dem Forum zurück, das sie
nach eigenem Bekunden einrichteten, um »eine breite universitätsinterne
Diskussion« zum Thema zu ermöglichen. Aber gerade diese noble Zurückhaltung
zeigt doch die demokratische Reife der Hochschulleitung. Sie wollte Diskutanten
einfach nicht durch ihre geballte bildungspolitische Kompetenz einschüchtern.
Ihre demokratische Haltung bewiesen die Großen Vorsitzenden
auch dadurch, dass der Moderator des
Forums kaum in die Diskussion eingriff. Dumm natürlich, dass einige
Nasen sich dann nicht an die Netiquette hielten und es zu verbalen Attacken
gegen einzelne Teilnehmer kam. Jetzt ist das nämlich ein weiterer Grund, das
Forum zu schließen und die zig Einträge darin aus dem Netz zu nehmen. Solche
Beleidigungen verschwinden eben nur, wenn alle Beiträge aus dem Internet
genommen werden.
Auch die dritte Begründung für die Schließung des Forums, es
hätten »breitere politische Diskussionen« stattgefunden, macht Sinn.
Schließlich haben Studiengebühren nichts mit der Besteuerung von
Unternehmensgewinnen zu tun. Und schon gar nicht mit dem Thema, das noch kurz
vor Schließung des Forums auf die Agenda gesetzt wurde. Da ging es um die
Selektivität des deutschen Bildungssystems.
Also kann von einem Demokratiedefizit auf Seiten des
Rektorats keine Rede sein. Schließlich haben die Großen Vorsitzenden auch nicht
den Zugriff von Unirechnern auf die Internetseiten von Gebührengegnern wie dem
Aktionsbündnis gegen Studiengebühren gesperrt. Und die Unihalle nicht in Halle
des Himmlischen Friedens umbenannt. Auch wenn die, nach Entfernung der meisten
Anschlagbretter und Litfasssäulen, ein bisschen danach aussieht. Aber da ging
es den Verantwortlichen ja um Ästhetik, und nicht um das Einschränken von Kommunikation.
Die »Zettelflut« soll eingedämmt werden, die ja schon fast zu »anarchistischen
Zuständen« führte, wie Heike Piehler, für das »Ästhetische Zentrum« an der
Hallenumgestaltung beteiligt, diese Zustände in der Halle gegenüber dem
Webwecker einmal treffend beschrieb. Und anarchistische Zustände und eine
demokratische Diskussionskultur vertragen sich nun mal nicht.
Und vielleicht ist die Löschung des Forums ja sogar eine
fein geplante Studieneinheit zum Thema Demokratie nach Art des »Unsichtbaren Theaters«
von Augusto Boal. Vielleicht sollen die Studierenden ja auf subtile Art merken,
was ihnen das geplante »Hochschulfreiheitsgesetz« bringt. Nämlich eine Stärkung
der Großen Vorsitzenden. Hoffentlich kapieren das auch diejenigen, die das
Forum nicht als Placebo für die Rektoratsbesetzer gesehen, sondern als
Diskussionsangebot ernst genommen haben. Denn, wenn die ihre Wut über die
Studiengebühren nicht mehr herausschrei(b)en können, könnten sie einen dicken
Hals bekommen. Und irgendwann explodieren.