Webwecker Bielefeld: Zweite Hausdurchsuchung bei Aktivisten gegen Studiengebühren (15.11.2006)

Zweite Hausdurchsuchung bei Aktivisten gegen Studiengebühren (15.11.2006)



Am vergangenen Donnerstag gab es die zweite Hausdurchsuchung bei einem Aktivisten gegen Studiengebühren an der Universität Bielefeld. Das Opfer war in diesem Fall ein Mitglied des Studierendenparlaments und der Zentralen Lehrkommission der Universität. Pikanterie am Rande: Am Tag vor der Hausdurchsuchung hatten die Professoren im Senat der Hochschule es abgelehnt, eigene Vertreter in die Kommission zu wählen, weil das Studierendenparlament den Beschuldigten erneut für das Gremium nominiert hatte.

 

Von Mario A. Sarcletti

Am 9. November um 6 Uhr 30 erhielt der studentische Aktivist Thorsten F. (Name geändert) erneut Besuch vom Staatsschutz. Grund sind die Brandanschläge in der Universität und auf den PKW von Unirektor und Gebührenbefürworter Dieter Timmermann. Bereits im August waren Polizeibeamte bei dem Studenten vorstellig geworden und holten ihn zur erkennungsdienstlichen Behandlung ab (WebWecker berichtete). Am vergangenen Donnerstag nahmen die Beamten ihm den Rechner ab, auch bei seinen Eltern in Duisburg beschlagnahmten Polizeibeamte einen Computer. Die lokalen Medien stellten F. in der Folge als Tatverdächtigen dar.

Vom Allgemeinen Studierendenausschuss der Universität gab es daraufhin Kritik am Vorgehen der Staatsschützer. »Nur weil Polizei und Staatsschutz im Dunkeln tappen, belangen sie einen derjenigen, der offen seine, von der Linie des Rektorats abweichende, Meinung vertritt«, heißt es in einer Pressemitteilung der Studierendenvertretung. Tatsächlich hat F. aus seiner Abneigung gegen Studiengebühren nie ein Hehl gemacht. Nach Angaben der Hochschulgruppe UNIted, für die F. im Studierendenparlament sitzt, wirft ihm der Staatsschutz vor, »einer der führenden Köpfe der Studiengebührenproteste« zu sein. Man kennt F. also, eine Straftat im Zusammenhang mit der Einführung der Gebühren wäre von daher zumindest extrem dämlich gewesen.

»Es drängt sich der Eindruck auf, dass die unter massivem Erfolgsdruck stehenden Ermittlungsbehörden händeringend nach einem Sündenbock suchen«, findet UNIted. Für den AStA »liegt die Vermutung nahe, dass durch die gewählte Vorgehensweise legitimer Protest pauschal kriminalisiert und StudiengebührengegnerInnen eingeschüchtert werden sollen«. Die Studierendenvertretung fordert in der Stellungnahme den Staatsschutz auf, »gewählte VertreterInnen der verfassten Studierendenschaft, den AStA und ihre Räumlichkeiten nicht länger zu überwachen und auszuspionieren«.

Sauer stößt dem AStA auch auf, dass der Hausdurchsuchung ein Eklat im Senat der Universität vorausgegangen war. Der tagte am Mittwoch und die professoralen Senatoren weigerten sich, ihre Vertreter sowie die »freien Studierendenvertreter« für die zentrale Lehrkommission zu wählen. Neben dem »Statusgruppenvertreter«, also Thorsten F., muss der Senat zwei weitere Vertreter der Studierenden für das Gremium bestimmen. Grund für die Verweigerungshaltung ist, dass das Studierendenparlament eben F. in die Kommission entsandt hat, die unter anderem die Beitrags- also Gebührensatzung erarbeitet hat und über die Verteilung der Einnahmen aus dem Uni-Eintrittsgeld entscheidet. Dabei hatte der Prorektor für Lehre, Gerhard Sagerer, das Klima in den Sitzungen zur Erstellung der Beitragssatzung immer wieder äußerst positiv dargestellt.


Nur noch genehme Studierndenvertreter?

»Dieses bisher beispiellose Vorgehen stellt zum wiederholten Male die undemokratische Vorgehensweise der professoralen Mehrheit im Senat offen zur Schau. Anscheinend hat sich bei den professoralenVertreterInnen im Senat der Eindruck breit gemacht, sie seien berechtigt sich genehme StudierendenvertreterInnen auszusuchen«, erklärt  der AStA. Neben der Tatsache, dass die Hausdurchsuchung einen Tag nach der Senatssitzung stattfand, ist noch eine weitere zeitliche Koinzidenz auffällig. Ebenfalls am vergangenen Donnerstag gab der Staatsschutz dem Studenten, bei dem im August die erste Hausdurchsuchung stattfand, seinen Rechner zurück.