Webwecker Bielefeld: Frieden schaffen ohne Waffen (06.09.2006)

Frieden schaffen ohne Waffen (06.09.2006)




Im Libanon sollen jetzt, wie in anderen Regionen der Welt auch, Soldaten den Frieden wiederherstellen. Der Gewalt soll also Gewalt entgegengesetzt werden. Es gibt aber auch den Ansatz Konflikte gewaltfrei zu lösen. Den verfolgt auch die Nonviolent Peaceforce www.nonviolent-peaceforce.de deren erstes Projekt in Sri Lanka läuft. Dessen ehemalige Leiter, Jan Passion, war in der vergangenen Woche auf Einladung des Bundes für Soziale Verteidigung zu Gast in der Bürgerwache. Mario A. Sarcletti hat mit ihm über die Idee der Nonviolent Peaceforce und über die Entwicklung in Sri Lanka gesprochen.


WebWecker: Herr Passion, könnten Sie vielleicht erst einmal erklären, was die Non-Violent Peace Force ist?

Jan Passion: Die Nonviolent Peaceforce, das sind NGOs aus aller Welt, die sich zusammengeschlossen haben, um eine gewaltfreie Eingreiftruppe gegründet haben. Dafür werden Zivilisten in Methoden gewaltfreier Friedenssicherung ausgebildet. Und dann werden diese Leute in Konfliktgebiete in aller Welt geschickt, um Gewalt zu verhindern und Menschenleben zu schützen. Außerdem sollen sie den politischen Freiraum sichern, den Friedens- und Menschenrechtsinitiativen brauchen um ihre Arbeit machen zu können.

 

Wie versuchen diese »peaceworkers« Frieden zu bringen oder Konflikte zu lösen?

Eine der Methoden, die wir häufig anwenden, heißt »Accompaniment«, also »Begleitung«. Wenn es also einen Aktivisten gibt, oder eine Nichtregierungsorganisation oder eine angreifbare Gemeinschaft, können wir durch unsere Anwesenheit für einen gewissen Schutz sorgen, weil wir ja Ausländer sind. Wir können diese Menschen auch zu Konferenzen begleiten, oder wir können sie auch, wenn sie in Lebensgefahr sind, aus dem Land heraus eskortieren. Wir können also einfach dadurch, dass wir da sind, Gewalt gegen diese Menschen verhindern.


Das klingt verdammt gefährlich. Wie viele Menschen machen so etwas?

Es gibt viele NGOs, die so arbeiten, etwa Peace Brigade International oder christliche Peace-Worker Teams. Die Nonviolent Peaceforce hat etwa vierzig Mitarbeiter in Sri Lanka, wo unser Pilotprojekt ist.


Sind auch andere Pilotprojekte geplant?

Wir hatten gerade ein Voraus-Team auf den Philippinen, dort ist unser nächstes Projekt geplant. Wir hoffen das in den nächsten fünf Monaten zu starten.

 

Schutz vor Gewalt ohne Gewalt


Es gibt ja auch UN-Missionen, die versuchen Frieden in ein Land zu bringen. Was ist der Unterschied zwischen einer UN-Mission und den Nonviolent Peaceforces?

Wir arbeiten recht eng mit der UN zusammen. Aber der Hauptunterschied ist, dass die UN vor allem ausgebildete Soldaten entsendet. Sie nutzen also hauptsächlich die Androhung von Gewalt, um für Schutz zu sorgen. Die UN ist aber auch sehr interessiert daran, mit Organisationen wie der Nonviolent Peaceforce zusammenzuarbeiten. Sie wollen herausfinden, wie man ohne Gewalt Schutz bieten kann. Wir hoffen unsere Möglichkeiten so auszubauen, dass wir UN-Missionen unterstützen können, etwa für vertriebene Menschen, die Schutz brauchen. Wir möchten gewaltfreie Methoden für diesen Schutz etablieren.


Wie würden Sie erklären, dass Milliarden Doller für bewaffnete Missionen ausgegeben werden, aber nur relativ wenig für gewaltfreie Friedensmissionen?

Nun ja, die Kosten für gewaltfreie Friedensmissionen sind viel geringer als die Kosten für Soldaten. Außerdem haben Soldaten in der Regel wenig Ahnung von gewaltlosem Vorgehen, von Gesprächstechnik, von Möglichkeiten der Versöhnung. Der Schwerpunkt und die Ausbildung von Eingreiftruppen kann aber einen großen Unterschied ausmachen. Die Nonviolent Peaceforce versucht speziell Leute zu akquirieren, die eine Ausbildung in Mediation und Beratung haben oder auch einen Hintergrund als Sozialarbeiter haben. Deren Fähigkeit Gemeinschaft zu erzeugen, ist einfach größer. Außerdem arbeiten wir sehr eng mit religiösen Führern und den lokalen Autoritäten sowie den bewaffneten Gruppen zusammen, auch damit die wissen, dass wir da sind. Diese Ausbildung hat da oft einen sehr positiven Einfluss.

 
Was würden Sie zu meinem Verdacht bezüglich der geringen Förderungen von gewaltfreien Initiativen sagen, dass mit Waffen einfach sehr viel Geld zu verdienen ist, mit Friedensarbeit hingegen nur wenig?

Das ist richtig. Die Leute, die vom Krieg profitieren, halten nicht viel von der Nonviolent Peaceforce. Aber ich glaube in den allermeisten Konflikten möchten achtzig bis neunzig Prozent der Menschen keinen Krieg und sehen seine Nutzlosigkeit. Die Nonviolent Peaceforce versucht einfach auch, es diesen Leuten einfacher zu machen, ihre Meinung zu äußern und das kulturelle Schweigen in einem bewaffneten Konflikt zu beenden. So werden hoffentlich die Menschen geschwächt, die durch Krieg mehr Geld und Macht bekommen wollen.

Lage in Sri Lanka verschlechtert
 
Jetzt zu Sri Lanka. Vor einigen Wochen nahmen die Kämpfe nach vier Jahren Waffenstillstand ja wieder zu. Ist Ihre Mission ein Misserfolg?


Nein, wir arbeiten ja auf verschiedenen Ebenen. Die landesweite Situation hat sich definitiv verschlechtert und es ist sehr schmerzhaft, das mitanzusehen. Unsere Aufgabe war aber nicht die oberste Ebene zu beeinflussen. In den vergangenen Wochen sind viele tausend Familien durch die Kämpfe vertrieben worden. Was die Nonviolent Peace Force tun kann, ist auf lokaler Ebene etwas Schutz zu bieten. Nämlich den Gemeinden, die in der Mitte zwischen den bewaffneten Akteuren stehen. Das war unser Schwerpunkt: Wie können wir den Gemeinden helfen nicht in den Konflikt einbezogen zu werden und sicher zu sein? Außerdem ist es gerade sehr schwierig, humanitäre Hilfe zu diesen Gemeinden zu bringen. Nur wenige Menschen sind bereit, das zu tun. Wir können den Menschenrechtsorganisationen unsere Begleitung anbieten, weil sie sich sonst nicht in bestimmte Gebiete trauen würden. Auf diese Weise kann unsere Mission dort immer noch  helfen.

 
Sie haben den Konflikt in Sri Lanka ja schon lange sehr genau beobachtet. Was muss die internationale Gemeinschaft tun, damit dort endlich Frieden einkehrt?

Ich glaube, die internationale Gemeinschaft muss weiterhin Druck ausüben, sowohl auf die LTTE als auch auf die Regierung von Sri Lanka, und ihnen klar machen, dass die Anwendung von Gewalt keine nachhaltige Lösung ist, dass so niemand gewinnen kann. Ich glaube auch nicht, dass eine der beiden Seiten an einen militärischen Sieg glaubt. Man muss beide Parteien wieder zurück an den Verhandlungstisch bringen, um den Raum für Kompromisse zu schaffen. Und um sie an den Verhandlungstisch zurückzubringen und davon abzuhalten, aufeinander zu schießen. Und dabei unschuldige Zivilisten zu töten.


Übersetzung aus dem Englischen: Michael Böddeker und Mario A. Sarcletti.