Im Libanon sollen jetzt, wie in anderen Regionen der Welt
auch, Soldaten den Frieden wiederherstellen. Der Gewalt soll also Gewalt
entgegengesetzt werden. Es gibt aber auch den Ansatz Konflikte gewaltfrei zu
lösen. Den verfolgt auch die Nonviolent Peaceforce www.nonviolent-peaceforce.de deren erstes Projekt in Sri Lanka läuft. Dessen ehemalige Leiter, Jan Passion,
war in der vergangenen Woche auf Einladung des Bundes für Soziale Verteidigung zu
Gast in der Bürgerwache. Mario A. Sarcletti hat mit ihm über die Idee
der Nonviolent Peaceforce und über die Entwicklung in Sri Lanka gesprochen.
WebWecker: Herr Passion, könnten Sie vielleicht erst einmal
erklären, was die Non-Violent Peace Force ist?
Jan Passion: Die Nonviolent Peaceforce, das sind NGOs aus aller Welt, die sich
zusammengeschlossen haben, um eine gewaltfreie Eingreiftruppe gegründet haben.
Dafür werden Zivilisten in Methoden gewaltfreier Friedenssicherung ausgebildet.
Und dann werden diese Leute in Konfliktgebiete in aller Welt geschickt, um
Gewalt zu verhindern und Menschenleben zu schützen. Außerdem sollen sie den
politischen Freiraum sichern, den Friedens- und Menschenrechtsinitiativen
brauchen um ihre Arbeit machen zu können.
Wie versuchen diese »peaceworkers« Frieden zu bringen oder Konflikte zu lösen?
Eine der Methoden, die wir häufig anwenden, heißt »Accompaniment«, also
»Begleitung«. Wenn es also einen Aktivisten gibt, oder eine Nichtregierungsorganisation
oder eine angreifbare Gemeinschaft, können wir durch unsere Anwesenheit für
einen gewissen Schutz sorgen, weil wir ja Ausländer sind. Wir können diese
Menschen auch zu Konferenzen begleiten, oder wir können sie auch, wenn sie in
Lebensgefahr sind, aus dem Land heraus eskortieren. Wir können also einfach
dadurch, dass wir da sind, Gewalt gegen diese Menschen verhindern.
Das klingt verdammt gefährlich. Wie viele Menschen machen so etwas?
Es gibt viele NGOs, die so arbeiten, etwa Peace Brigade International oder
christliche Peace-Worker Teams. Die Nonviolent Peaceforce hat etwa vierzig
Mitarbeiter in Sri Lanka, wo unser Pilotprojekt ist.
Sind auch andere Pilotprojekte geplant?
Wir hatten gerade ein Voraus-Team auf den Philippinen, dort
ist unser nächstes Projekt geplant. Wir hoffen das in den nächsten fünf Monaten
zu starten.
Schutz vor Gewalt ohne Gewalt
Es gibt ja auch UN-Missionen, die versuchen Frieden in ein Land zu bringen. Was
ist der Unterschied zwischen einer UN-Mission und den Nonviolent Peaceforces?
Wir arbeiten recht eng mit der UN zusammen. Aber der Hauptunterschied ist, dass
die UN vor allem ausgebildete Soldaten entsendet. Sie nutzen also hauptsächlich
die Androhung von Gewalt, um für Schutz zu sorgen. Die UN ist aber auch sehr
interessiert daran, mit Organisationen wie der Nonviolent Peaceforce
zusammenzuarbeiten. Sie wollen herausfinden, wie man ohne Gewalt Schutz bieten
kann. Wir hoffen unsere Möglichkeiten so auszubauen, dass wir UN-Missionen
unterstützen können, etwa für vertriebene Menschen, die Schutz brauchen. Wir
möchten gewaltfreie Methoden für diesen Schutz etablieren.
Wie würden Sie erklären, dass Milliarden Doller für
bewaffnete Missionen ausgegeben werden, aber nur relativ wenig für gewaltfreie
Friedensmissionen?
Nun ja, die Kosten für gewaltfreie Friedensmissionen sind viel geringer als die
Kosten für Soldaten. Außerdem haben Soldaten in der Regel wenig Ahnung von
gewaltlosem Vorgehen, von Gesprächstechnik, von Möglichkeiten der Versöhnung.
Der Schwerpunkt und die Ausbildung von Eingreiftruppen kann aber einen großen
Unterschied ausmachen. Die Nonviolent Peaceforce versucht speziell Leute zu
akquirieren, die eine Ausbildung in Mediation und Beratung haben oder auch
einen Hintergrund als Sozialarbeiter haben. Deren Fähigkeit Gemeinschaft zu
erzeugen, ist einfach größer. Außerdem arbeiten wir sehr eng mit religiösen
Führern und den lokalen Autoritäten sowie den bewaffneten Gruppen zusammen,
auch damit die wissen, dass wir da sind. Diese Ausbildung hat da oft einen sehr
positiven Einfluss.
Was würden Sie zu meinem Verdacht bezüglich der geringen Förderungen von
gewaltfreien Initiativen sagen, dass mit Waffen einfach sehr viel Geld zu
verdienen ist, mit Friedensarbeit hingegen nur wenig?
Das ist richtig. Die Leute, die vom Krieg profitieren, halten nicht viel von
der Nonviolent Peaceforce. Aber ich glaube in den allermeisten Konflikten
möchten achtzig bis neunzig Prozent der Menschen keinen Krieg und sehen seine
Nutzlosigkeit. Die Nonviolent Peaceforce versucht einfach auch, es diesen
Leuten einfacher zu machen, ihre Meinung zu äußern und das kulturelle Schweigen
in einem bewaffneten Konflikt zu beenden. So werden hoffentlich die Menschen
geschwächt, die durch Krieg mehr Geld und Macht bekommen wollen.
Lage in Sri Lanka verschlechtert
Jetzt zu Sri Lanka. Vor einigen Wochen nahmen die Kämpfe nach vier Jahren
Waffenstillstand ja wieder zu. Ist Ihre Mission ein Misserfolg?
Nein, wir arbeiten ja auf verschiedenen Ebenen. Die landesweite Situation hat
sich definitiv verschlechtert und es ist sehr schmerzhaft, das mitanzusehen.
Unsere Aufgabe war aber nicht die oberste Ebene zu beeinflussen. In den
vergangenen Wochen sind viele tausend Familien durch die Kämpfe vertrieben
worden. Was die Nonviolent Peace Force tun kann, ist auf lokaler Ebene etwas
Schutz zu bieten. Nämlich den Gemeinden, die in der Mitte zwischen den
bewaffneten Akteuren stehen. Das war unser Schwerpunkt: Wie können wir den
Gemeinden helfen nicht in den Konflikt einbezogen zu werden und sicher zu sein?
Außerdem ist es gerade sehr schwierig, humanitäre Hilfe zu diesen Gemeinden zu
bringen. Nur wenige Menschen sind bereit, das zu tun. Wir können den
Menschenrechtsorganisationen unsere Begleitung anbieten, weil sie sich sonst
nicht in bestimmte Gebiete trauen würden. Auf diese Weise kann unsere Mission dort
immer noch helfen.
Sie haben den Konflikt in Sri Lanka ja schon lange sehr genau beobachtet. Was
muss die internationale Gemeinschaft tun, damit dort endlich Frieden einkehrt?
Ich glaube, die internationale Gemeinschaft muss weiterhin Druck ausüben,
sowohl auf die LTTE als auch auf die Regierung von Sri Lanka, und ihnen klar
machen, dass die Anwendung von Gewalt keine nachhaltige Lösung ist, dass so
niemand gewinnen kann. Ich glaube auch nicht, dass eine der beiden Seiten an
einen militärischen Sieg glaubt. Man muss beide Parteien wieder zurück an den
Verhandlungstisch bringen, um den Raum für Kompromisse zu schaffen. Und um sie
an den Verhandlungstisch zurückzubringen und davon abzuhalten, aufeinander zu
schießen. Und dabei unschuldige Zivilisten zu töten.
Übersetzung aus dem Englischen: Michael Böddeker und Mario
A. Sarcletti.