Von Manfred Horn
Rund 250 Menschen versammelten sich am vergangenen Samstag
auf dem sowjetischen Friedhof bei Stukenbrock. Der wurde von Gefangenen nach
der Befreiung angelegt. In 36 Massengräbern und 788 Einzelgräbern liegen dort
rund 65.000 im nahe gelegenen Gefangenenlager Stalag 326 (VI/K) zu Tode
gequälte Kriegsgefangene, zum großen Teil aus der ehemaligen Sowjetunion.
Wie seit vielen Jahren kamen am ersten Samstag im September
Menschen auf dem Friedhof zusammen, um der Toten zu gedenken und den Frieden zu
mahnen. Anlass für dieses feste Datum bildet der Antikriegstag, der jeweils am
1. September stattfindet am 1. September 1939 eröffneten die
Nationalsozialisten ihren Vernichtungskrieg.
Zu Beginn der Veranstaltung legten viele Teilnehmer Blumen
und Kränze am Obelisquen ab, einem Denkmal, das von den befreiten Gefangenen
nach der Befreiung errichtet wurde. 1956 ließ die damalige Landesregierung die
gläserne rote Fahne demontieren, die die Spitze des Denkmals bildete. Stattdessen
setzte man zwei orthodoxe Kreuze nach oben. Bis heute kämpfen der Verein
Blumen für Stukenbrock und Überlebende dafür, dass die rote Fahne wieder die
Spitze des Denkmals ziert. Erst dann würde es wieder so aussehen, wie es damals
gebaut wurde. Nun hofft der Verein, dass die Spitze bis Ende 2007 ausgetauscht
ist. »Damit wäre auch das letzte Relikt des kalten Krieges gefallen«, erklärte
Werner Höner vom Verein.
Die diesjährige Hauptrede hielt Tobias Pflügerer. Der
Europaparlamentarier der Linkspartei. »Ich bedanke mich ungerne bei Soldaten.
Dies tue ich aber bei denen, die hier gefangen waren. Sie haben sich dem
Nationalsozialismus entgegengesetzt«, erklärte er. Dann ging Pflügerer, der
Kriege als Mittel der Politik ablehnt, auf die aktuelle Situation ein: Zur Zeit
gibt es elf Bundeswehreinsätze mit 7600 Soldaten weltweit, ein Einsatz im
Libanon kommt sehr wahrscheinlich in den nächsten Wochen dazu. Auch einen
Einsatz im Libanon lehnt Pflügerer ab. Deutschland müsse nicht, wie von dem
SPD-Bundesvorsitzenden geäußert, eine Führungsrolle in diesem Konflikt
übernehmen. Im Gegenteil: »Dieses Land müsste so etwas wie ein internationaler
Kriegsdienstverweigerer werden«.
Geschichtsrevisionismus seit Jugoslawienkrieg
Schleichend würden die Auslandseinsätze der Bundeswehr immer
mehr zu Kampfeinsätzen. »Holt die Truppen aus Afghanistan zurück«, fordert er.
Seit Jahren macht Pflügerer einen verstärkten Geschichtsrevisionismus aus. Dies
gelte für den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg im ehemaligen Jugoslawien, an
dem Deutschland beteiligt war. »Es gibt den Versuch, die Einmaligkeit der
Geschichte zurückzudrehen«. eine Aussage, die Pflügerer auch an ganz aktuellen
Ereignissen wie der Gedenkrede von Hermann Schäfer, dem stellvertretenden
Bundesbeauftragten für Kultur und Medien. Der hatte sich vor zwei Wochen zur Eröffnung
des Kunstfestes in Weimar im Beisein von ehemaligen KZ-Häftlingen ausführlichst
über die Leiden der vertriebenen Deutschen gesprochen, das nahe KZ Buchenwald
aber mit keinem Wort erwähnt. Pflügerer forderte in seiner Rede Bundeskanzlerin
Angela Merkel auf, sich von der Rede zu distanzieren.
Da Pflügerer im Unterausschuss für Sicherheit und
Verteidigung des Europäischen Parlamentes sitzt, bekommt er eine Menge mit. So
hat er in der EU eine »zunehmend neokoloniale Militärpolitik« ausgemacht. Die
richte sich gegen die Menschen im Süden. Die Mehrheit der Parlamentarier wolle
eine weitere Militarisierung der EU, wahlweise als Partner oder Gegengewicht
zur USA, vor allem aber gegen den Süden gerichtet.