Von Manfred Horn
Der Bielefelder Mädchentreff und der Verein Blauschwung
packen die Koffer: Sie wollen mit Jugendlichen in die Geschichte reisen.
Gemeinsam sollen die Reisebehältnisse dann beim Herbstcamp im Jugendhof Vlotho
ausgepackt werden.
Gerade beginnt die Erforschung der Einwanderungsgesellschaft
in der Bundesrepublik: »Darüber zerbrechen sich viele Erwachsene den Kopf. Wir
aber wollen die Jugendlichen fragen«, sagt Mitja Sabine Lück, Mitarbeiterin des
Mädchentreff in der Alsenstraße. Die Jugendlichen dass sind junge Menschen
zwischen 16 und 21 Jahren mit Migrationshintergrund oder auch ohne. Wobei die
übliche Teilung kaum greift: »Fast alle Menschen haben eine
Migrationsgeschichte«, weiß Lück. Dies fängt im kleinen an, denn längst nicht
alle der heutigen Einwohner Bielefelds sind hier geboren: Migration beginnt
beim Zuzug aus dem Lipperland und endet mit Ländern, die mehrere tausend
Kilometer entfernt liegen.
»Wir wollen den Jugendlichen Spaß an der Auseinandersetzung
mit Geschichte vermitteln«, sagt Güler Arapi, wie Lück Mitarbeiterin des
Mädchentreff in deren Antirassismusprojekten. Beide wissen: Geschichte wird
dann spannend, wenn die eigene Person eingebunden wird. Und das bedeutet, bei
den Erfahrungen der Jugendlichen anzusetzen. »Wir betreiben subjektive
Geschichtsschreibung. Dabei steht im Vordergrund, was die Geschichte eigentlich
mit mir zu tun hat«, erklärt Arapi. Ausgangspunkt ist dabei der heutige
Lebensort Bielefeld. Der Blick geht dann zurück bis in die Kolonialgeschichte.
»Spannend wird es sein zu sehen, welche Bilder die Jugendlichen davon noch
haben«, sagt Lück. Denn im herrschenden Mediendiskurs spielt die deutsche
Kolonialgeschichte nur eine marginale Rolle. Auch in Bielefeld beginnt eine
Aufarbeitung erst heute durch den Arbeitskreis Bielefeld Postkolonial
(WebWecker berichtete). Ein zweiter Schwerpunkt des Projektes wird die
NS-Vergangenheit sein, um schließlich zur Einwanderungsgesellschaft Deutschland
zu kommen.
Eigenes Erleben steht im Mittelpunkt
Die Jugendlichen sollen aber nicht Ergebnisse für eine
wissenschaftliche Untersuchung liefern. Eine kleine Abschlussdokumentation wird
zwar erstellt. Im Vordergrund stehen aber die Jugendlichen selbst. Deren Lust
auf Geschichte, ihre eigene Geschichte soll geweckt werden. »Wir gehen davon
aus, dass alle ihr eigenes, ganz unterschiedliches Gepäck mitbringen«, sagt
Arapi. Herauskommen wird eine neue Geschichte, die wenig gemein hat mit den
Diskursen in den Talkshows. Das Projekt versteht sich zudem als explizit antirassistisch.
Der Blick auf die Geschichte geschieht also durchaus parteiisch im Sinne von
Engagement gegen rassistische und rechtsextreme Haltungen.
Das geplante Herbstcamp im Jugendhof Vlotho soll bei allem
politischen Anspruch kreativ werden. Also keine staubigen Vorträge sondern
Action. Geschichtsaneignung durch etwa durch Theater spielen und Filme drehen
stehen im Vordergrund. Das Herbstcamp findet in den Herbstferien vom 30.
September bis 3. Oktober statt. Anmelden können sich Jugendliche beiderlei
Geschlechts zwischen 16 und 21 Jahren. Unterkunft und Verpflegung sind
kostenlos. Die Anmeldefrist beginnt erst jetzt, denn die Bewilligung der
Fördermittel hat sich hingezogen. Der Bund trägt den größten Teil der Kosten
aus dem Förderprogramm entimon, das sich gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit
und Antisemitismus richtet. Das Programm läuft Ende des Jahres aus, der Bund
will die Mittel zwar erhalten, aber umwidmen: Dann geht es nicht mehr alleine
um rechte Gewalt, sondern um Gewalt überhaupt. Zudem soll die Zuständigkeit vom
Bundesministerium für Familie, Frauen und Jugend zum Bundesinnenministerium
verschoben werden.
Anmeldungen über den Mädchentreff, Alsenstraße 28,
per Post oder Fax 0521. 329 21 21. Infos telefonisch unter 0521. 179450 oder im
Netz unter www.maedchentreff-bielefeld.de
Geplant sind im Rahmen des Projektes weitere Workshops in
Bielefeld und Berlin, teilweise in Kooperation mit Schulen
Der Mädchentreff muss einen Eigenanteil an dem Projekt
finanzieren, Spenden dafür sind willkommen: Mädchentreff Bielefeld, Stichwort
Geschichtsprojekt, Sparkasse Bielefeld, Bankleitzahl 480 501 61, Konto: 11 35
71
Weitere Informationen über den Mitveranstalter Blauschwung:
www.blauschwung.de