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Vertrauensschutz unterhöhlt (08.12.2004)



Am vergangenen Donnerstag entschied das Oberverwaltungsgericht Münster, dass die Studiengebühren für so genannte Langzeitstudierende aus seiner Sicht verfassungskonform sind. Es kassierte aber auch eine Regelung des Studienkonten- und –finanzierungsgesetzes für Studierende, die in den ersten zwei Semestern ihren Studiengang gewechselt haben.


Von Mario A. Sarcletti

Der Studienkontenberater des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) der Uni Bielefeld ist sauer: »Wir hatten Zweifel am Sachverstand des Richters«, beschreibt Stefan Bröhl seinen Eindruck und den anderer Studierendenvertreter von der Verhandlung zum Studienkonten- und –finanzierungsgesetz am vergangenen Donnerstag in Münster. Da urteilte das Oberverwaltungsgericht in vier Fällen, dass die Studiengebühren verfassungsgemäß sind, die NRW seit dem Sommersemester für so genannte Langzeitstudierende und Studierende erhebt, die einen ersten berufsqualifizierenden Abschluss haben. »Dem Gericht war nicht bekannt, dass es sich bei den 133.000 bescheideten Studierenden nicht nur um sog. Langzeitstudis sondern auch um Zweitstudiumsstudierende handelt«, wundert sich das Aktionsbündnis gegen Studiengebühren auf seiner Homepage über die Richter.

Vor allem die Beurteilung der Regelstudienzeit als Maß der zugestandenen Studienzeit durch das Gericht, stößt Stefan Bröhl sauer auf. »Die wurde ursprünglich eingeführt, um den Hochschulen klar zu machen, in welcher Zeit ein Studium absolvierbar sein muss«, erinnert Bröhl an die Anfänge der Regelung. »Das ist das Ideal, das wird aber selten eingehalten«, sagt der ehemalige AStA-Vorsitzende über die Vorgabe. Das alles hätte das Gericht nicht gewusst. Denn als Langzeitstudierende gelten diejenigen, die die Regelstudienzeit um das 1,5-fache überschritten haben. 650 Euro kostet sie jedes Studienhalbjahr, von Ausnahmen abgesehen.

Tatsächlich zeigt die Statistik, dass nur eine Minderheit der Studierenden die Regelstudienzeit von meist acht Semestern einhält. Schuld daran ist auch das Hochschulwesen, das sich bei Stellen und Räumlichkeiten aus finanziellen Gründen an Studierendenzahlen aus den 70er-Jahren orientieren muss. In Bielefeld entspricht zum Beispiel die Zahl der C4-Professuren der der Studierenden aus den 70er-Jahren. Damals rechnete man mit 11.000 Studierenden, heute ist fast ein Drittel mehr hier eingeschrieben.

Für Unmut unter den Studierendenvertretern sorgte auch die grundsätzliche Entscheidung des Gerichts, dass das Gesetz nicht den Vertrauensschutz verletze. »Studierende können sich nicht auf die Aussage von Gesetzgebern verlassen, da dies alles nur vorläufig ist«, bringt das Aktionsbündnis gegen Studiengebühren (ABS) seine Einschätzung auf den Punkt. Tatsächlich wurde im Jahr 2000 eine Absage an Studiengebühren ins nordrhein-westfälische Hochschulgesetz geschrieben, die 2001 von rot-grünen Politikern bekräftigt wurde.

Trotzdem meinte das OVG: »Die Studierenden hätten nicht schutzwürdig darauf vertrauen können, ein überlanges Studium auch ohne Gebühren zu Ende führen zu können«. In diesem Fall hatte eine vierfache Mutter gegen den Gebührenbescheid geklagt. Die hätte nach Meinung des OVG »nach Inkrafttreten des Gesetzes gut zwei Semester Zeit gehabt, sich auf die neue Rechtslage einzustellen«. Nach Meinung von Studierendenvertretern zu wenig: »Der Vertrauensschutz ist damit komplett unterhöhlt«, sagt Stefan Bröhl zur Argumentation des Gerichts. »Ich finde es schon sehr übel zu sagen, dann habt ihr eben Pech gehabt«, kritisiert er die Richter.