Nach dem Spiel ist vor dem Spiel (Teil 2)
Und jetzt das schwarzrotgoldne Fahnenmeer und das ekelhafte und für mich bedrohliche »Steht auf, wenn ihr Deutsche seid«. Wurde das eigentlich auch in Rostock oder Hoyerswerda vom Mob gegrölt? Auch in meinem Bekanntenkreis meinten Menschen, sich die National-Farben ins Gesicht schmieren zu müssen. Warum eigentlich? Warum machen sich auch Menschen, die sich politisch links verorten würden, mit dem Typen mit dem National-Trikot und der vollgepissten Jogginghose gemein, dessen erbärmliche Erscheinung bei den Pogromen von Rostock berühmt wurde? Warum durchschauen offensichtlich viele das Spiel nicht, das Politik und Medien mit dem Fußball spielen?
Dabei sind die Zeichen doch eindeutig, wie zum Beispiel vor zwei Wochen in der Sendung ZDF-Reporter. In der Anmoderation zu einem Beitrag über die WM-Euphorie und das »neue« National-Bewusstsein wurde ein noch vor wenigen Jahren ziemlich klar der rechs(extrem)en Szene zuzuordnender Code verwendet: »Ich bin stolz ein Deutscher zu sein«. Der Moderator freute sich offensichtlich darüber, dass man für seine Verwendung »nicht mehr in die rechte Ecke gestellt« werde, wie er sagte. Auch im Beitrag selbst tauchte der Slogan mehrfach auf. Die Reporterin freute sich über das »starke deutsche Nationalgefühl«, das nach ihrer Meinung bisher nicht da war. Wie ja zum Beispiel auch regelmäßig Wahlen in den »Neuen Bundesländern« zeigen, bei denen die National-Demokraten und die Volksunion so was von abgewatscht werden. Und ein schwarzrotgülden geschmückter Bürger wusste sogar, warum die Deutschen angeblich erst jetzt wieder die Nation entdecken: »Wir haben eine etwas unglückliche Vergangenheit«, erklärte der Mittvierziger und meinte damit wohl nicht die »Schmach von Cordoba« 1978.
Und alle spielen das National-Spiel mit, Spielverderber wie ich setzen da schon mal Bekanntschaften aufs Spiel. Im medialen und politischen Diskurs findet ein Hinterfragen dieses nationalen »Wir-Gefühls« praktisch nicht statt. Es wird auch nicht hinterfragt, warum man denn auf ein Land stolz sein könne. Und wenn, dann geben die Medien sich mit den einfachen Antworten zufrieden. Die hatte auch ein Mann für die ZDF-Reporter parat: »Ich bin stolz darauf, wie wir die Wiedervereinigung hingekriegt haben«. Dass der Kerl wohl gerade mal so alt war, wie dieses Ereignis, warf für die Journalisten keine Fragen auf. Und so ist zu befürchten, dass die Fahnen nicht abgenommen werden und die Nation weiter stolz auf sich ist. Und ARD-Mann Waldemar Hartmann immer öfter Sachen sagen darf wie die von dem Bären aus »Südtirol, das manche ja Italien nennen«.
Kreisen, bis der Tank leert ist: Deutschlandfans nach einem Sieg der Nationalmannschaft auf der Feilenstraße
Ein Traum von Deutschland
Jochen Dreier, Ausbildungsleiter beim Radio Hertz 87,9, fieberte mit der deutschen Mannschaft mit. Sie steht für ihn für ein fortschrittliches Deutschland
Die Mannschaft, die ich während der WM unterstützte, ist eine Mannschaft, wie ich zumindest äußerlich Deutschland mag oder wie ich es mir wünsche. Menschen verschiedener Nationen, verschiedener Hautfarben und aus völlig verschiedenen sozialen Schichten spielen in dieser Mannschaft als Team. Dass diese Menschen für Deutschland spielen, für das Land in dem sie aufgewachsen sind, ist freilich nicht immer ohne Probleme. Asamoah war diversen Anfeindungen von rechtsextremer Seite ausgesetzt.
Aber indem für sie ein Traum wahrgeworden ist, und dass die meisten ihrer Fans nicht das geringste Problem damit haben, dass ein deutscher Stürmer eine andere Hautfarbe hat, halte ich für positiv.
Ich finde es gut, dass im Sturm mit Klose und Podolski zwei Menschen spielten und uns zum Weltmeister schießen wollten, die aus einem Land kommen, in dem ihre Großeltern noch gegen Deutschland kämpfen mussten und Terror, nicht in Worte fassbaren Ausmaßes, ertragen mussten.