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Französische Verhältnisse? (Teil 2)





Aufgeheizte Stimmung: Viele Demonstranten wollten sich nicht von der Polizei filmen lassen


Deutschland bewege sich in diese verkehrte Richtung, nicht nur durch die Hochschulreformen. »Auch die Schulpolitik in Nordrhein-Westfalen verstärkt gerade die Selektivität«, kritisierte der Soziologe. So werde die Aufhebung der Schulbezirke dafür sorgen, dass an Grundschulen die Zusammensetzung der Schülerschaft sehr viel homogener werde. Auch die Verbindlichkeit der Empfehlung der Lehrer für die weiterführende Schulform benachteilige Kinder aus der Unterschicht. »Ein Kind aus der Mittelschicht hat eine vier bis sechs Mal höhere Chance auf eine Gymnasialempfehlung«, nannte Hartmann Zahlen.

Er widersprach auch dem Versprechen vieler Gebührenbefürworter, dass es bei 500 Euro pro Semester bleiben werde und verwies darauf dass in Großbritannien die Gebühren in zehn Jahren von 1000 auf 3000 Pfund gestiegen seien. Eine Steilvorlage für Hartmann liefert Hessen. Aktuelle Pläne dort sehen mögliche Gebühren in Höhe von 1500 Euro für Msterstudiengänge vor. »Unis mit Renomee werden das schnell nehmen«, befürchtet Hartmann eine Spaltung der Hochschullandschaft in Spitzenunis für die Elite und Massenuniversitäten für den Rest der Studierwilligen.

Nach dem Soziologieprofessor sprach bei der Auftaktkundgebung ein Mitglied der Landesschülervertretung. »Wir sind heute hier um für unsere Zukunft einzustehen«, erläuterte er die Motivation von Schülerinnen und Schülern für die Teilnahme an der Demonstration. »Wir haben Angst und Bildung nicht mehr leisten zu können«, beschrieb er die Stimmung an den Schulen angesichts der Studiengebühren.

Bevor der Demozug sich Richtung Landtag in Bewegung setzte, brachte Uli Schröder die Demonstranten in Stimmung. »Die Regierenden sollen merken, dass sie die Menschen, die gegen ihre neoliberale Bildungs- und Beschäftgiungspolitik aufstehen, unterschätzt haben«, rief er unter dem Jubel der tausenden wütenden Demonstranten. Er verwies darauf, dass sich an der Ruhr-Uni mehr als 90 Prozent der Studierenden gegen Studiengebühren ausgesprochen habe. Auch der Großteil der Bevölkerung sei gegen die Gebühren, vermutete er. »Lassen wir es nicht zu, dass sich die konservativen und neoliberalen Politiker im Land über den demokratischen Willen hinwegsetzen«, forderte er.

Das Hochschulfreiheitsgesetz nannte er »den Einstieg in die Privatisierung der Hochschulen«. Die sollen nämlich von einem Hochschulrat geleitet werden, der von Vertretern der Wirtschaft dominiert wird und von keinem Hochschulgremium zur Rechenschaft gezogen werden kann. »Das angebliche Freiheitsgesetz wird nicht nur die Hochschulen, sondern auch uns unfreier machen. Lasst uns dieses Gesetz verhindern, auf zum Landtag«, rief Schröder aus.

Dort erwartete die Demonstranten dann ein großes Polizeiaufgebot. Im Bannkreis standen behelmte Polizeibeamte, dass diese zudem die Demonstranten filmte, sorgte bei denen für großen Unmut. Immer wieder forderte Uli Schröder die Beamten auf, die Kamera einzupacken. »Wir lassen unseren friedlichen Protest nicht kriminalisieren«, sagte er.


Hochschulen im Bestand gefährdet

Vor dem Landtag ging Professor Lucian Hölscher, Senator an der Ruhr-Uni, auf das Hochschulfreiheitsgesetz ein. Seine Teilnahme an der Demonstration nannte er »ein Zeichen der Solidarität und Gemeinsamkeit«. Das Gesetz würde die Hochschulen, die gegen echte Autonomie nichts einzuwenden hätten, in ihrem Bestand gefährden. »Das Sorgerecht des Landes für die Hochschulen wird ausgedünnt«, kritisierte er. Er verwies darauf, dass seit Anfang des Jahres die Hochschulen mit einem Globalhaushalt auskommen müssten. »Und wenn sie damit nicht auskommt, muss sie Insolvenz anmelden«, skizzierte er die Folgen des Hochschulfreiheitsgesetzes.