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Der Kopfball ist drin (17.05.2006)
Entsetzen: »Wir« haben gerade ein Tor kassiert. Alle Fotos: Philipp Ottendörfer
Von Manfred Horn
Nach »Du bist Deutschland« und »Wir sind Papst« nun auch noch »Wir sind im Finale«: Das neue Stück des Stadttheaters eignet sich vorzüglich für Menschen, die trotzdem Fußball-Fans sind. Erwachsene versammeln sich, um ihre Mannschaft anzufeuern. Sie dribbeln mit, stöhnen, leiden und liegen sich in den Armen. Emotionen pur, nur weil irgendein o-beiniger Knabe den Ball in des Gegners Kasten versenkt hat. Da stimmt doch was nicht.
Kann man diese Emotionen rationalisieren, gar erschöpfend erklären? Der Autor Marc Becker, selbst bekennender Fußball-Fan, probiert es. Von Patrick Schimanski, der in dieser Spielzeit bereits Elektra in Bielefeld inszenierte, auf die kleine Bühne des TamZwei gebracht, verwandelt sich der Diskurs in ein temporeiches Spiel. Die Stimmen zur Schlacht um den Ball sind auch die Stimmen zur Lage der Nation. Becker setzt ganz oben an: Er fragt nicht, ob das Duo Klinsmann Merkel funktionieren kann oder ob Acker Schröder der bessere Sturmpartner für den Bäckersohn gewesen wäre. Er will wissen, warum Fußball fasziniert und gesellschaftlich wie ein Klumpen Kitt wirkt.
Das führt im Stück zu erklärenden Momenten. Diese sind erhellend, weil sie die Konstruktion eines »Wir« jenseits aller sozialen und persönlichen Schranken erläutern. Weil sie den ökonomischen und politischen Gehalt des Ereignisses ein Stück weit entschleiern. Ein Volk, ein Land, ein Fußball. Und doch sind es die schwächsten Momente der Inszenierung: Weil das, was zu sagen ist, nicht sinnlich wird. »Was zählt, ist auf dem Platz«, eine olle Fußballer-Weisheit, die auch hier trifft.
Der große Rest, der 120 Prozent ausmacht, ist ein großes Vergnügen. Patrick Schimanski hat das TamZwei in eine Kneipe verwandelt. Stefan Imholz gibt den Wirt, der zwischen Bier und Brathähnchen versucht, den verrückten Haufen zusammenzuhalten, der sich da zum kollektiven Endspiel-Gucken in seiner Kneipe zusammengefunden hat. John Wesley Zielmann spielt den doch ziemlich unter Tabletten stehenden, pulloverzupfenden Sonderling, Claudia Mau ist extra aus ihrer spirituellen Welt in die Kneipe geschwebt, um einmal und offenbar erstmals das zu verfolgen, was viele Herzen höher schlagen lässt.
Christina Huckle kommt auf dem Sportrad daher und greift zur Blumenvase, um das Spiel zu kommentieren. Und das kann sie nebenbei gesagt um Längen besser als so mancher echter Fußballreporter. Ulrike Müller blickt in den Narrenkäfig und kommentiert trocken mit, was da auf dem Bildschirm passiert. Andreas Hilscher bleibt es vorbehalten, den entscheidenden Elfmeter zu verwandeln oder auch nicht. Und Oliver Baierl mimt den Oberproll, der des Siegens willen verspricht, seine Frau nur noch zu verprügeln, wenn es gar nicht mehr anders geht.
Die bunte Gesellschaft treibt der Fußball, das WM-Endspiel, zusammen. Wunderbar sind die unterschiedlichen Charaktere, der zunächst vereinzelt auf der Spielfläche auftauchen und über den Fußball zueinander und auch manchmal auch gegeneinander finden. Das Spiel im Spiel Deutschland gegen einen unbekannten Gegner findet nur in der Imagination statt, der Projektor wirft rasig-grüne Flächen auf die Wände des TamZwei, auf der die Schauspieler dann herummalen. Ein Spiel dauert 90 Minuten, und so wird der Abend zu einer Chronologie der Ereignisse.
The Beat goes on
Schimanski liefert den Beat zum Spiel. Die ganze Inszenierung ist durchzogen von Rhythmus pur. Da würde sogar Fußball-Kultur-Guru Andre Heller blass. Da wird selbst das Öffnen einer Bierflasche zum Teil der Klangcollage. Ergreifend die Musikeinlagen, die von erschütternder Volksmusik bis hin zu David Bowies Space Oddity reichen. Brillant die chorischen Elemente, die das Ensemble exakt zu bringen weiß, und die so klar zum Thema passen: Die Kneipe wird zum Fanblock, wo die wahren Fischer-Chöre zu Hause sind.
Der Kopfball ist drin (Teil 2)
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