»Die Frage nach der Solidarität noch lauter stellen« (Teil 3)
Was kann die evangelische Kirche tun, um wieder mehr Menschen für den Glauben zu gewinnen? Aus der Sicht des Sozialpfarrers ist es wichtig, dass die Kirche sich nicht nur mit sich selbst und ihren Problemen beschäftigt. Sie sollte sich als Teil der Gesellschaft zeigen. Fragen nach der Solidarität oder in christlicher Sprache: Nächstenliebe sollten noch lauter gestellt und beispielhafte Lösungen müssten gelebt werden.
Wie kann die Kirche den Spagat hinkriegen, einerseits immer weniger Geld zur Verfügung zu haben und zum anderen stärker in die Gesellschaft wirken zu wollen? Unter den augenblicklichen finanziellen Verhältnissen kann die Kirche keine zusätzliche Aufgaben übernehmen. Ich glaube eher, dass sie schon zu viele Aufgaben übernommen hat. Sie muss überlegen, was sie finanziell noch schultern kann. Sie muss mit Sicherheit an vielen Stellen zurückstecken. Dass sie das begriffen hat, merkt man am Verkauf von Kirchen und Gemeindehäusern. Der Mantel, den die Kirche zur Zeit trägt, ist zu groß. Er stammt aus den 1960er Jahren, aus einer Aufbruchszeit, als man noch genügend Geld hatte. Auch bei den sozialen Einrichtungen, die von der Kirche getragen werden, muss die Kirche schauen: Wo lässt sich ein christliches Profil überhaupt glaubwürdig leben. Wenn sie nur neben anderen Anbietern auf dem Markt überleben will, ist das meiner Meinung nach zu wenig: Also lieber statt drei Kindergärten einen, der aber dann nicht so unter Finanzdruck steht und beispielhaft zeigt, was christliche Kindererziehung im Vorschulalter bedeutet.
Wie sieht das christliche Profil aus? In einer Kindertagesstätte beispielsweise sollte der Umgang miteinander so eingeübt werden, dass auf Gewalt verzichtet und erlernt wird, dass Konflikte positiv gelöst werden können. Das christliche Profil darf Nichtchristen nicht ausgrenzen, sollte aber durchaus auch verbunden werden mit biblischen Aussagen: Dass es eine Verpflichtung ist, den anderen Menschen zu achten, auch wenn er eine andere Meinung vertritt, die Kirche nicht von innen kennt oder aus einem anderen Kulturkreis stammt, sollte eine Selbstverständlichkeit sein.
Die Martinikirche an der Artur Ladebeck-Straße wurde verkauft und wird nun als Restaurant genutzt. Bräuchte die Kirche nicht auch neue Ansätze, beispielsweise eine Jugendkirche, die zugleich Kirche, Cafe und Theaterbühne ist? Das ist eine Idee, die in anderen Städten, auch von der katholischen Kirche, bereits entwickelt wurde. So etwas wäre auch für Bielefeld eine tolle Idee.