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»Die Frage nach der Solidarität noch lauter stellen« (Teil 2)



Wie ist die Position der evangelischen Kirche?

Die evangelische hat wie die katholische Kirche hat dieselbe Position wie etwa Pro Asyl: Das Zuwanderungsgesetz ist nicht in Ordnung und zugleich wird es nicht ordentlich umgesetzt. Das Gesetz wird sehr restriktiv gehandhabt.


Als Samuel Huntington vor zehn Jahren einen Clash of Civilisations prognostizierte, wurde er von vielen scharf angegriffen. Nun scheint es so, als ob sich die These mit Leben erfülle. Wobei es sich, ganz im Sinn von Huntington, vor allem um einen Kampf der Religionen zu handeln scheint.

Es sieht so aus. Aber es geht gar nicht um die Religion. Beispielsweise ging es im Nordirland-Konflikt auch nicht um einen Kampf von Katholiken gegen Protestanten. Der Kampf der Religionen wird gebraucht, um die Waffenindustrie bedienen zu können. Dazu gehört auch das imperiale Gehabe einiger Großmächte, die auf diese Weise Rohstoffe sichern wollen.


Aber die Krieger im Namen der Religion gibt es.

Der Kampf der Religionen wird zunächst von der Seite benutzt, die genug hat und noch mehr haben will. Aber es gibt natürlich die Reaktion auf der anderen Seite, die sehr wohl gewollt ist. Nämlich die Radikalisierung von Muslimen, die sich auf der Verliererseite sehen. Wer genau hinsieht, bemerkt: Es geht bei diesen Menschen vor allem um die Teilhabe am Leben. Ein deutliches Beispiel ist Palästina. Dort kämpfen nicht die Muslime gegen die Juden. Die Palästinenser kämpfen um ihre Heimat, ihnen fehlt einePerspektive für das eigene Volk.


Sie gehörten in dieser Stadt zu den deutlichen Kritikern von Hartz IV. Sind die Menschen im materiellen Sinn ärmer geworden?

Die Menschen sind in der Bundesrepublik Deutschland deutlich reicher geworden. Im Durchschnitt besitzt der Deutsche immer mehr Geld – aber eben nicht alle. Sehr viele Menschen werden immer ärmer, gehören zu den Verlierern in unserem Land. Hartz IV sollte ein Programm gegen die Arbeitslosigkeit werden. Doch durch Hartz IV kann man den Eindruck gewinnen, dass die Politiker sich mit der Arbeitslosigkeit abgefunden haben. Die Betroffenen haben weniger Geld aus vorher. Das Arbeitslosengeld-II bedeutet, dass die Erwerbslosen unter der Armutsgrenze leben müssen.


Ein Pfarrer vermittelt Werte. Nun leben wir in einer Zeit, in der Werte wie Geben und Teilen keine Selbstverständlichkeit mehr sind. Ökonomisch gesehen nehmen viele, was sie kriegen können. Solidarität und Subsidiarität werden zu Fremdwörtern. Leben wir in einer immer kälter werdenden Gesellschaft?

In der Leistungsgesellschaft spielen die genannten Werte keine Rolle. Im Gegenteil, sie irritieren diese Menschen eher. Die Globalisierung wird als Argument hinzugezogen, um zu behaupten, Solidarität könne man sich nicht mehr leisten. Auf der anderen Seite helfen sich Menschen, die wenig Geld haben und die in Not kommen. Da ist eine ganze Menge Solidarität. In unserer Welt würde es noch viel schlimmer aussehen, wenn sich die kleinen Leute nicht untereinander helfen würden. Gerade Familien müssen gegenwärtig viel schultern, um das eine oder andere Familienmitglied zu unterstützen.


Kirchen galten lange Zeit als out. Nun wird seit der Wahl von Papst Benedikt eine Renaissance der Kirche beschrieben. Kommt davon etwas bei Ihnen an?

Nach meinem Eindruck stimmt die Beschreibung nicht. Die Papst-Wahl war vor allem ein Medienereignis. Es gibt zwar diejenigen, die sich begeistern lassen. Aber für die gesamte Gesellschaft wird dies überbewertet. Insgesamt ist die Distanz zur Kirche eher größer geworden. Viele wissen gar nicht, wofür die Kirche gut ist. Die Kirche erreicht viele Menschen nicht mehr.