Webwecker Bielefeld: hahn01

»Die Frage nach der Solidarität noch lauter stellen« (05.04.2006)





Entschiedene Positionen: 14 Jahre war Eberhard Hahn Sozialpfarrer des Evangelischen Kirchenkreises


Zum 1. April ist Eberhard Hahn in den Ruhestand getreten. Seit 1992 war er Sozialpfarrer im Evangelischen Kirchenkreis Bielefeld. Der in Dortmund geborene Hahn war zuvor Pfarrer in der Gemeinde Baumheide. Als Sozialpfarrer war er zuständig für die Kontakte der Kirche zur Arbeitswelt, also vor allem zu Gewerkschaften, Betriebsräten und Unternehmerverbänden. Genau knüpfte er auch Kontakte zu Arbeitslosen- und Beschäftigungsinitiativen. Einen weiteren Arbeitschwerpunkt bildete der Kontakt mit Behinderten in der Arbeitswelt und in den Gemeinden. Viel Energie steckte er auch in die Arbeit mit Flüchtlingen und Migranten.

Sozialpfarrämter richtete die Evangelische Kirche erstmals in der Weimarer Republik ein. Sozialarbeit wurde dabei als Dienst an der Gesellschaft verstanden, als Ergänzung zur karitativen Tätigkeit. Heute nennt sich das Arbeitsfeld ›Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt und Gesellschaft‹ (KDA). Ein Ziel des Dienstes ist es, ein tieferes Verständnis für die Probleme am Arbeitsplatz und die Lebenslagen der arbeitenden Menschen zu wecken. Dabei will die Kirche auch ihre Mittelschichtorientierung überwinden. Kirchen sind aber auch selbst Arbeitgeber. Hier ist es Aufgabe des KDA, die typischen Themen der Arbeitswelt wie Mitbestimmung, Bezahlung und Humanisierung der Arbeit zu thematisieren.

Zum Abschluß seiner 14-jährigen Dienstzeit blickt Eberhard Hahn zurück auf einige Schwerpunkte seine Arbeit. Er setzt sich in dem Interview aber auch mit dem gegenwärtigen Zustand der Kirche auseinander.



Interview: Manfred Horn

WebWecker: Herr Hahn, jetzt kommt der Ruhestand. Wie viel Ruhe werden Sie sich gönnen?

Eberhard Hahn: Ich werde mir sehr viel Ruhe gönnen. Was nicht bedeutet, dass ich nicht hier und da eine Aufgabe übernehme. Dazu gehört auch die Mithilfe bei der Fusion der Gemeinden Gustav-Adolf und Stieghorst. Es kann auch mal ein Gottesdienst in einer Gemeinde sein. Zudem arbeite ich noch in einzelnen Gremien mit, so zum Beispiel im erweiterten Vorstand des BAJ. Dort werde ich erst bei der nächsten Mitgliederversammlung ausscheiden.


Sie sind seit 1992 Sozialpfarrer in Bielefeld. Sie haben sich in dieser Zeit auch immer um Migranten und Flüchtlinge in der Stadt gekümmert. Was hat sich in dieser Zeit, die mit dem sogenannten Asylkompromiss begann und dem neuen Zuwanderungsgesetz endete, verändert?

Der sogenannte Asylkompromiss ist zu Ungunsten der Flüchtlinge ausgefallen. Er wurde damals genutzt, um es Flüchtlingen nahezu unmöglich zu machen, in die Bundesrepublik zu gelangen. Das wurde damals durch eine Medienkampagne begleitet – ›das Boot ist voll! – die leider zu diesem Ergebnis geführt hat. Die Zahlen derjenigen, die noch nach Deutschland fliehen können, sind seitdem deutlich zurückgegangen. Das neue Zuwanderungsgesetz hat in Hinblick auf die Fluchtmöglichkeiten nach Deutschland nichts verändert. Viele der Menschen, die schon im Land sind, sollten durch das neue Gesetz aus der Situation der Duldung herauskommen. Aber die Kettenduldungen werden bis heute weiter vergeben.

Zum Teil werden von den Ausländerbehörden sogar unterhalb dieses rechtlichen Status Papiere ausgefüllt, die den Menschen noch weniger Rechte und Chancen geben. Aber auch die Flüchtlinge, die einen vermeintlich sicheren Status haben, sind bedroht: Das Bundesamt für Flüchtlinge hat auf Anweisung des Bundesinnenministeriums Verfahren eingeleitet, anerkannte Flüchtlinge wieder auf den vorherigen Stand zurückzustufen. Das bedeutet, dass sie aufgefordert werden, die Bundesrepublik zu verlassen – beispielsweise in den Irak, nach Afghanistan oder nach Sri Lanka.