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Rektoratsbesetzung dauert an (15.02.2006)







Auch zwei Wochen nach dem Senatsbeschluss zu Studiengebühren ist das Rektorat der Universität Bielefeld immer noch besetzt. Ein Gespräch zwischen der Hochschulleitung und Besetzern am Montag brachte kein Ergebnis. Wann sie das Rektorat räumen, entscheiden die Besetzer jeden Tag neu. Daneben wird zum Thema Studiengebühren gearbeitet.


Von Mario A. Sarcletti

Erstmal sind sie basisdemokratisch: Jeden Abend tagt das Plenum der Besetzerinnen des Rektorats in der Uni Bielefeld. Da, wo sonst die Hochschulleitung in Anzug und Krawatte manchmal recht einsam über die Zukunft der Hochschule entscheidet, diskutieren jetzt Studierende und Kollegiaten des Oberstufenkollegs. Zwischendurch kommen Vertreter anderer Hochschulen vorbei, um Solidarität zu bekunden und sich an den Diskussionen zu beteiligen. Immer wieder finden spontane Musiksessions statt, bei denen nicht nur politisches Liedgut, sondern auch der Biene-Maja-Song erklingt.

Obwohl die Besetzer auf basisdemokratischen Strukturen beharren, hat sich dennoch recht schnell Ordnung eingefunden. Schnell war festgelegt, dass nur in einem Raum geraucht werden darf. Auch die Aufgabenverteilung war flugs organisiert, die einen kümmern sich um die Öffentlichkeitsarbeit, andere um die Versorgung der Besetzer, wieder andere um das Thema Studiengebühren.

Die haben eine Resolution verfasst, die auch die Gründe für die Besetzung erläutert. Die sei eine »Reaktion auf die undemokratischen Gremienstrukturen dieser Hochschule, die uns eine angemessene Berücksichtigung studentischer Interessen auf dem demokratischen Verfahrensweg verwehrt«, heißt es darin. Auf acht Seiten legen die Besetzer mit ihren Forderungen nach einer Demokratisierung der Hochschulen und dem Rücktritt von Rektor Dieter Timmermann sowie mit dem Thema Studiengebühren dar.

Der Ruf nach mehr Demokratie an den Universitäten ist wahrlich nicht neu, sie stammt aus den 60er Jahren. Erste Schritte weg von allmächtigen Professoren und hin zu mehr Mitspracherecht für die anderen Statusgruppen erhielten aber 1973 einen bösen Dämpfer durch das Bundesverfassungsgericht. Mit Hinweis auf die Freiheit von Forschung und Lehre räumte es den Professoren die Mehrheit in allen universitären Gremien ein. So haben im Senat der Uni Bielefeld 252 Professoren zwölf Sitze, mehr als 18.000 Studierende aber nur vier.

Die Besetzer fordern nun, dass der erweiterte Senat die Grundordnung der Universität dahingehend ändert, dass die Stimmen der Senatoren bei Fragen, die nicht unmittelbar die Wissenschaft betreffen, so gewichtet werden, dass eine Viertelparität entsteht. Alle Statusgruppen, neben Studierenden wählen auch die wissenschaftlichen und nichtwissenschaftlichen Mitarbeiter Vertreter in den Senat, sollen so das gleiche Mitsprachrecht erhalten. Außerdem schlagen die Besetzer vor, dass nur noch vier professorale Senatoren von ihrer Statusgruppe gewählt werden, die restlichen acht sollen sich dem Votum aller Universitätsmitglieder stellen.


Leere Kassen kein Naturereignis

Das Thema Studiengebühren sehen die Besetzer im Kontext des Sozialabbaus in der Bundesrepublik. Die immer wieder zu hörende Begründung der leeren Kassen wollen sie nicht gelten lassen. Die seien kein »Naturereignis«, sondern ein Ergebnis einer Umverteilungspolitik von unten nach oben, den Eliten sei es erlaubt worden, sich aus der Finanzierung des Gemeinwesens zurückzuziehen. »In diesem Zusammenhang senkte die letzte Bundesregierung die Unternehmenssteuern«, heißt es in dem Papier. Das bietet auch Zahlen: 101,6 Milliarden Euro seien dem Staat von 2001 bis 2004 an Körperschaftssteuer, Kapitalertragssteuer, Gewerbesteuer und veranlagter Einkommenssteuer entgangen. Dies sei die Folge einer politisch gewollten Steuererleichterung für Spitzenkonzerne und Wohlhabende, finden die Besetzer.