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Schaum in der Seele (Teil 3)





Modenschau im Arbeitsamt: Umberto trägt gerne die Illusion von Glück umher


Dies gelingt auch dadurch, dass die Bühne immer wärmer wird: Umberto kommt mit einem Stapel mäßig gemalter Bilder daher, später folgen allerlei Grablichter und Heiligenstatuen. So wird die Bühne zu einem Klischee von Italien – und zugleich zum Wohnzimmer der Agentur. Die Spieler sind nicht mehr so verloren, und werden nicht mehr dominiert von einer riesigen Tür, die den Aufgang in die Büros mit all ihren ›Persönlichen Ansprech-Personen‹ markiert. Sie hängen nicht mehr ab von einem Automaten, der ihnen blechern ihre Nummer sagt und sie zum Warten auffordert. Vielmehr baden sie im Kitsch – und die Inszenierung bekommt hier und da sehr komische Momente, die stilisiert wie eine Parodie auf manche Seifenopern wirken.

Wäre die Realität nicht so hart. Denn Rinke weiß, wie er das Publikum erreichen kann. Seine Botschaft: Das Thema Arbeit betrifft jeden, amtlich bescheinigte Arbeitslosigkeit kann jeden treffen. Die Unsicherheitsgesellschaft ist geboren. Da sind die Kinder der fetten 1960er und 1970er Jahre, die vor lauter Patchwork-Identity den Überblick verloren haben: Jaro will Musiker sein, doch hat noch nie ein eigenes Stück veröffentlicht. Jule macht auf Design, doch niemand kauft ihre Klamotten. Kein Wunder, kombiniert sie ihren Traum bis zu den Oberschenkeln doch verdächtig mit einer Illusion – den durch und durch kapitalistischen Stutzen von Arminia Bielefeld. So eine Kombination kann nicht weit tragen. Die beiden, überzeugend gespielt von Stefan Imholz und Christina Huckle, sind Träumer, die in den 1980er Jahren noch irgendwie durchgegangen oder im Lebenskünstler-Biotop Berlin-West angeschwemmt worden wären. Nun landen sie, beinahe zerbrochen, mitten in den Fluren der Arbeitsagentur. Doch zumindest Jaro hat die Kraft, sich nicht von dem System unterkriegen zu lassen, vielmehr begreift er das Unsichere als produktive Situation.

Da ist aber auch Lukas, der früher einmal Erdkundelehrer war. Er kennt die Welt, oder besser die Risse in dieser. Doch niemand interessiert sich mehr dafür. Nun sucht er nach dem Beweis seiner Existenz. Zu allem Unglück ist er mit Sonia verheiratet, die es als schwätzende Moderatorin zu einer gewissen Medienöffentlichkeit gebracht hat. Die beiden sind noch ein Paar, haben sich aber nicht mehr viel zu sagen. Lukas schwimmt im Selbstmitleid und im Zweifel über die Welt, während sie seine Rechnungen bezahlt. Die beiden, souverän und mit Schwung von Claudia Mau und Thomas Wolff gespielt, prallen im Brennglas Café Umberto aufeinander, und dies in mehrfacher Weise. Denn Sonia hat der Arbeitsagentur auch ihre Stimme verliehen.


Von der Volte zur Revolte

Alle miteinander vollziehen sich steigernde Volten auf der Bühne. Zum Finale dann wird aus dem ganzen eine Revolte. Zumindest bei einigen. Während andere den Kopf nicht nur in den Sand, sondern in die Schlinge stecken, erschüttern die einen das System, indem sie seine Syntax verwirren, den Kode knacken. Dem System, bei dem es sich – auch nach den auf der Bühne gezeigten Performances, die manche Szenen voneinander abtrennen – nur um einen wild gewordenen, brutalen Finanzkapitalismus handeln kann, wird die eigene Sprache aufgezwungen. Und als dann Wirklichkeit in Utopie übergeht und wieder Licht am Ende des Tunnels zu sehen ist, singt Umberto sein italienisches Lied.

Die »neuen Überflüssigen«, die zum »Survival of the fitest« antreten sollen, werden von Michael Heicks ins richtige Licht gesetzt. Der Intendant inszenierte höchstpersönlich, und setzte mit diesem Stück ein ästhetisches Zeichen: Dass es sich lohnt, über sein Leben in einer Welt nachzudenken, in der Arbeit nicht befreit. Dass die Geschichte verschiedene Ausgänge haben kann. Auch wenn dies verdammt viel Arbeit sein mag – ein Ausweg ist möglich.