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Schaum in der Seele (09.11.2005)





Paula und Anton kommen nicht mehr klar: Das ist mal tragisch, oft aber auch ziemlich komisch. Alle Fotos: Philipp Ottendörfer



Café Umberto heißt die neue Produktion des Stadttheaters. Die Bühne des Theaters am Alten Markt wird zum Marktplatz von Menschen, die unter dem Diktat der Arbeit ächzen. In sich vergesellschaftenden Einheiten wandeln sie den Flur der Agentur für Arbeit in einen Ort des Lebens.



Von Manfred Horn


Nein, Café Umberto ist kein Stück über Hartz IV, eher eines über die Auswirkungen von Arbeitslosigkeit im Zeitalter der Arbeit. Es ist eher so, dass Arbeitslose in diesem Stück ziemlich viel zu tun haben. Denn sie müssen ihr Leben organisieren. Und das ist verdammt kompliziert. Sie sind in der Wartezone zu einem Glück, das bei den meisten wohl nicht mehr kommen wird. Einige von ihnen haben eine erfolgreiche Vergangenheit im Nacken. Nun könnten eigentlich alle viel Zeit haben und den Augenblick genießen. Doch das ist verboten.

Café Umberto ist ein Stück Zeit. Um Theater genießen zu können, muss der Zuschauer sich einlassen – also das Handy auch im Kopf ausschalten. Was Betrachtern gelingen mag, fällt denen auf der Bühne schwer: Sie sind dazu verdammt, etwas zu tun. Nun aber kann man sich der Arbeit von zwei Seiten nähern. Die sanfte, erklärende Form: So ziemlich alles ist Arbeit. Die Beziehung mit dem Lebensabschnittgefährten aufrechtzuerhalten, auf das der Gefährte nicht einen anderen Weg einschlägt: Arbeit. Das Zubereiten eines Tees, wenn die andere nach Hause kommt: präzise zu verrichtende Arbeit. Das Nachdenken über sich, Gott und die Welt: verdammt harte Arbeit. Nur: Diese Formen des Knechtens an sich selbst und mit anderen Wesen sind herzlich wenig anerkannt. Gerade Frauen können davon ein Lied singen.

Die andere, windigere Form, sich der Arbeit zu nähern: Arbeitslose haben keine Arbeit. Punkt. Sie leben auf Kosten der Steuerzahler, die sich für sie den Rücken krumm machen oder in schlecht belüfteten Büros in die Tasten hauen. Dafür sollen die Arbeitslosen mal ordentlich leiden und sich als zweitklassige Menschen fühlen, wenn nicht gar als »Parasiten«, wie Noch-Arbeitsminister Wolfgang Clement unverblümt – wobei Amtsvorgänger Norbert Blüm dies niemals so formuliert hätte – zu Protokoll gab. Arbeit ist zu der zentralen gesellschaftlichen Kategorie geworden, zu dem was trennt. Die einen haben welche – zunehmend egal welche – und die anderen nicht. Die einen sind berechtigte Mitglieder des Gemeinwesens, die anderen nur noch Geduldete, die auf ihre Abschiebung – ja nach wohin eigentlich – warten.

Daraus ergibt sich eine paradoxe Situation: Arbeit wird zum wenig bemantelten Mantra, dass negative Energien freisetzt: Ein rücksichtsloser Kampf um sie ist entbrannt. Zwar sprechen alle von Arbeit, doch seit gut 30 Jahren gibt es in der Bundesrepublik zu wenig davon – ein Zustand, der sich auch in den nächsten Jahrzehnten nicht verändern wird. Es ist grotesk. Dieses Paradox funktioniert aber nur, weil ein großer Teil der Arbeit schlicht ausgeblendet, nicht anerkannt wird: Einfach darüber, dass es kein monetäres Äquivalent dafür gibt.

Nicht mehr warten – leben

Und genau hier setzt Café Umberto an. Aus der Wartezone, die einen in normalen Fällen zum Stumpfsinn, dem Blättern in sowiesoniepassenden Stellenangeboten, zum nervösen Nickerchen oder zum Beobachten der Vögel vor dem Fenster animiert, wird ein echter Lebenskorridor. Der Autor des Stücks, Moritz Rinke, verwandelt die Agentur für Arbeit in einen Ort der Arbeit. Er zeigt das volle Leben – mit samt der oft quälenden Beschäftigungen, die dies von den Protagonisten abverlangt. Dieser Kunstgriff gelingt ihm, indem er einen klapprigen Cafe-Automaten mit stummem und italienstämmigen Ein-Euro-Jober in die Zone verpflanzt.