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Schaum in der Seele (Teil 2)





Jule und Jaro versuchen es: Die Agentur bekommt dank ihres Einsatzes Event-Charakter



Ein Cafe, das ist ein Ort der Entspannung, des Plauderns, des Nikotingenusses, der gedeckten Klaviermusik und Käsetorte. Das Café von Umberto ist zu Beginn wenig mehr als eine Metapher, es fehlen Tische und Stühle und Aschenbecher. Da ist zunächst nur ein zerkratzter brauner WünschdireinenKaffee-Automat und eben Umberto.

Doch alleine die Metapher verändert die Situation: Zwischenmenschliches macht sich breit. Die Menschen fühlen sich wohl – zumindest wohl genug, um miteinander zu verkehren. Dabei spielt es keine Rolle, was Umberto da eigentlich wirklich tut. Er macht den besten Cappuccino der Stadt, sagen alle. Auch wenn er dafür, so zumindest in der Inszenierung des Bielefelder Stadttheaters, fettarme H-Milch aus Tüten verwendet.

Umberto, den der Leiter der Agentur Herzberg mit seinem eigenwilligen Café mitten in den Räumen der Dienstleistungs-Anstalt gewähren lässt – »Er ist Migrant und auch noch behindert, was soll man da tun?« – ist stumm. Es ist allerdings eine vorübergehende Behinderung. Weil die Verhältnisse haben ihn stumm gemacht, kein Licht, keine Sonne, Sie verstehen. Und ein Ein-Euro-Job kann einem auch schon mal die Sprache verschlagen. Aber das ist nicht der Punkt: Indem Umberto, hervorragend gespielt von Ulrich Neuweiler, so schön stumm ist, wird er zur guten Fee, die nie widerspricht und fast alle Wünsche erfüllt. In dem Kabuff hinter seinem Getränkeautomaten liegen Geduld, Einfühlungsvermögen, Schuhputzzeug und Schnaps. Dinge, die Umberto im passenden Moment und auf Aufforderung schnörkellos und selbstverständlich nach vorne auf die Bühne holt und die das Spiel beflügeln.


Die Allee nicht finden

Die, die vorne sind, waren mal im Licht. Nun sieht – frei nach Brecht – man sie eigentlich nicht. Doch Rinke lässt die Schattenwesen auf die Zuschauer los. Anton und Paula zum Beispiel, wunderbar dargestellt von Harald Gieche und Carmen Priego. Ziemlich klar sind beide gescheiterte Existenzen, die sich den arbeitslosen Zustand zu eigen gemacht haben und sich mit großer destruktiver Spannung daran abarbeiten. Er leidet, weil er seine Frau nicht mehr ernähren kann. Und sie, weil ihr Künstlerin-Sein nicht fürs tägliche Brot reicht. Er wäre fast Sumo-Ringer geworden und wahrscheinlich erdrückt worden, weil er ein durchschnittliches Hemd ist, und endet als Streckenposten bei der Bahn. Dort sieht seinen Ex-Kollegen von der Hochschule – Anton war in seinem früheren Leben ebenfalls Hochschuldozent – pünktlich zur Vorlesung an sich vorbeirauschen. Zu den großen Szenen des Stückes gehört auch, wie die beiden Ich-AG-mäßig mit Schubkarre und einem riesigen Laubpuster bewaffnet in die Vorgärten irgendwelcher Alleen vorrücken wollen, doch schon auf dem Weg dahin im bitteren Streit scheitern.

Das Stück ist allerdings kein Porsche – dies wäre dem Thema wohl auch nicht angemessen. Es kommt langsam in die Gänge, um dann, spätestens nach der Pause, hochtourig durch Deutschland im Herbst 2005 zu fahren. Christoph Hetzer ist bei dieser Inszenierung im Theater am Alten Markt für die Bühne zuständig, und hat sie gleich mal ein ganzes Stück nach vorne verlegt. Die Bühne beginnt quasi auf der ersten Sitzreihe. Dies soll das Publikum vermutlich in das Stück hineinziehen, Spieler und Zuschauer auf Augenhöhe zusammenbringen, was zu Beginn allerdings nur bedingt gelingt. Zu sperrig ist die Situation, trotz fichtigem Outfit bleibt die Bühne kalt. Nun ist es aber so, dass das Ensemble gegen diese Kargheit und Kälte anspielt, und sich letztlich auch ohne Ikea davon emanzipiert.